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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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hier?«
    Der Hund an der Leine knurrte jetzt laut und böse.
    Weiter kam der Pedell nicht, denn der Eindringling warf ihm sein Köfferchen an den Kopf. Es öffnete sich, und das Mundstück einer Querflöte sowie eine goldene Anstecknadel fielen dem guten Mann vor die Füße.
    Die Schrecksekunde ausnutzend, riss die Gestalt das Fenster auf und sprang kurz entschlossen auf ein Vordach.
    Der Pedell kramte rasch die heruntergefallenen Sachen auf und ließ seinen Patterdale-Terrier los.
    Der konnte aber nicht viel machen, weil er sich nicht traute, dem Dieb aus dem Fenster nachzuspringen. Laut bellend stand er mit den Vorderfüßen auf dem Fenstersims und leckte sich mit geifernder Zunge.
    Der Pedell, der sich hier gut auskannte, wusste sich zu helfen.
    »Von dort kann er eigentlich nur bis zum Kleinen Kammermusiksaal kommen. Für einen Sprung auf den Hof wird es zu tief sein.«
    Er kehrte auf den Flur zurück und eilte ein paar Treppen hinauf zum Foyer des Kammermusiksaals.
    Richtig, dort huschte die Gestalt am Fenster vorbei. Der Pedell öffnete es und schwang sich ebenfalls auf das Dach. Den Hund und das Diebesgut musste er zurücklassen.
    Es ging kreuz und quer über die Dächer und Simse der verwinkelt aneinandergeschachtelten Altstadthäuser. Immer höher führte die Verfolgungsjagd, denn einen Sprung nach unten konnte man nicht wagen.
    Der Pedell konnte trotz seines Alters dem Verbrecher auf den Fersen bleiben. Der schien hier oben ziemlich ungeschickt zu sein. Hin und wieder fürchtete er, jener würde in die Tiefe stürzen.
    Am breiten Kaminschornstein hoch über dem Haus mit dem Eingang zur Hochschule schien die Jagd zu Ende zu sein. Hier gab es kein Entkommen mehr. Doch da hatte sich der Pedell geirrt. Mit einem kurzen harten Fußtritt zerbrach der Gejagte ein Oberlicht und sprang durch die Scherben hinab. Blutspuren hinterließ er nicht.
    Der Pedell wusste, dass sich dort der Orgelsaal befand. Das neue Instrument war erst vor Kurzem feierlich eingeweiht worden. Von hier aus konnte der Bursche nur über eine außen angebrachte Wendeltreppe zum Hof entkommen. Die Eingangstür zu dem Raum vom Innern des Hauses aus hatte der Hausmeister erst vor einer halben Stunde während seines Kontrollrundgangs überprüft. Sie besaß ein neues, starkes Sicherheitsschloss, und die Tür bestand wegen des Brandschutzes aus festem Stahl.
    Schnell kehrte er um, lief einen Korridor zurück und sprang vom Dach aus auf die obere Plattform dieser Wendeltreppe. Er traute seinen Ohren nicht. Aus dem Raum ertönte Orgelmusik. Er kannte das Stück: Bachs d-Moll Toccata.
    Wollte der Einbrecher freiwillig aufgeben?
    Der Pedell schlug eine Glasscheibe ein und öffnete die nicht besonders widerstandsfähige Holztür, die zur Nottreppe führte. Dabei riss er sich an den Splittern die Hand auf. Sie blutete.
    Die Gestalt spielte einfach weiter und ließ den Verfolger herankommen. Als Pedell der Musikhochschule war er es gewohnt, Musikstudenten bis zum Ende spielen zu lassen. Dann platzte ihm der Kragen: »Jetzt ist aber Schluss! Kommen Sie mit, ich muss Sie der Polizei übergeben!«
    Er packte die Gestalt am Arm und wollte ihn ihr auf den Rücken drehen. Den Trick kannte er aus den Fernsehkrimis. »Sie …? – Dass Sie so was nötig haben, hätte ich nicht gedacht!«
    Leider konnte er seine Absichten nicht durchsetzen. Die Gestalt stand auf und umarmte ihn mit unwiderstehlicher Kraft, sodass ihm die Luft ausblieb.

     
    *

     
    Als ein Orgelschüler am nächsten Tag seine Bachfuge üben wollte, hörte er schon von draußen eine hässliche Klangtraube.
    »Nanu, wer übt denn da Ligeti?«
    Kopfschüttelnd kramte er seinen Studentenschlüssel hervor und öffnete die schwere Stahltür. Er fand den Pedell tot am Orgeltisch sitzen. Sein Kopf lastete schwer auf ein paar Orgeltasten, die blutende Hand hing schlaff an der Seite herunter. In seiner Tasche steckte ein Zettel: ›alika‹.
    Später stellte es sich heraus, dass es sich wieder um den bekannten Etikettendruck handelte. Den Hund fand man am nächsten Tage erdrosselt im Foyer des Kammermusiksaals. Hopfinger ärgerte sich, dass er das Konzert frühzeitig verlassen hatte. Die Chance, endlich die Diebes- und Hehlerbande auf frischer Tat zu ertappen, hatte er dank seiner mangelnden Liebe zur Musik verpasst.
    Und Inspektor Kroll ärgerte sich, dass es aufgrund seiner bisherigen Erfolglosigkeit zu einem weiteren Opfer gekommen war. Wieso musste schon wieder ein Hausmeister dran glauben? Es lähmte

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