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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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alle um mich herum würden mich bewundern, würden mich verstehen – mich akzeptieren.«
    Sie machte eine längere Pause. Verlegen spielte sie mit der Getränkekarte, die auf dem Tisch lag. Dann fuhr sie fort: »Verzeih’ mein Gejammer. Es wird dich nicht interessieren. Du stehst mitten im Leben, bist eine gemachte Frau, hast ein Ferienhaus in Travemünde und du hast einen Sohn …«
    »Ach was, lassen wir Raik aus dem Spiel. Der ist doch auch nur wie ein Schmetterling. Nach Hause fliegt er jetzt nur noch selten. Der hat offenbar eine schönere Blüte gefunden.«
    Ria lag es auf der Zunge, ihrer Gesprächspartnerin alles über ihr Verhältnis zu Raik und dessen Liebe zu der jungen Sängerin zu erzählen. Aber sie hielt sich zurück. Judith bemerkte ihre plötzliche Verlegenheit nicht und fuhr fort:   »Und das mit der ›gemachten Frau‹ ist im Grunde genommen nur oberflächlicher Schein. Seit dem Tode meines Mannes – nein, um ehrlich zu sein: Schon lange vorher hatte ich niemanden, mit dem ich mich aussprechen konnte. Mein Mann fing an, mir gegenüber immer brutaler zu werden, wenn du verstehst, was ich meine. Auch für mich gab es dann nur noch die Flucht. Ich wollte mir meine Niederlage nicht eingestehen – vor allem Raik und den Nachbarn gegenüber. Ich begann, ziellos durch die Gegend zu fahren, die geschäftige Hausfrau mimend. Und ich flüchtete mich in die Welt der Malerei. Vielleicht ist das so ähnlich, wie du dich in den Kinos versteckst. – Auch ich habe niemanden, dem ich mein wirkliches Gesicht zeigen kann.«
    Jetzt war es an Judith, verlegen mit der Getränkekarte zu spielen. Beide schwiegen eine Weile. Dann legte die ältere die Karte ruckartig beiseite. »Ach was soll das, jetzt fange ich auch schon an zu jammern. – Sag’ mal: Du bist noch jung, ledig, hast keine Kinder. So wie du aussiehst, müssten sich doch die Männer um dich reißen!«
    Unwillkürlich musste Ria wieder an Raik denken. Aber jetzt wurde ihr klar, dass er für sie kein Thema mehr war. »Männer! – Früher war ich noch stolz darauf, dass sie mir hinterher schauten. Und ich fiel oft genug auf ihre Schmeicheleien herein. Bis ich merkte, dass sie nur scharf auf meine Brüste waren, dass sie mich nicht als Persönlichkeit achteten. Es dauerte lange, bis mir klar wurde, dass Sex und Liebe zwei Paar Stiefel sein können. Und jetzt fühle ich mich zu alt, um eine neue Bindung einzugehen.«
    Judith legte ihre Hand auf Rias. »Ach, Unsinn! Es kommt nur darauf an, den richtigen Menschen zu finden. Jemanden, dem du vertrauen kannst. Jemanden, der dich braucht, so wie du ihn. – Dann ist deine Flugzeit zu Ende. Dann hat das Boot seinen Hafen erreicht.«
    Beide schwiegen, in ihren Gedanken versunken. Dann meinte Judith, es sei Zeit, das Thema zu wechseln. Sie strich Ria sanft über den nackten Unterarm. »Genug philosophiert! Was ich dich übrigens fragen wollte: Arbeitest du gern bei dem Goldschmied?«
    »Ja, schon. Das Gehalt ist zwar nicht überwältigend, und mein Zimmer könnte größer sein; wenigstens ist es mit einer Badewanne versehen. Aber dennoch bin ich zufrieden. Die Arbeit ist nicht besonders anstrengend. Und, was das Wichtigste ist, die Herrschaften behandeln mich gut. Vor zwei Jahren, als ich in einem anderen Haus diente, war das ganz anders. Ich wurde hin- und herkommandiert, und der Hausherr tätschelte mich ständig anzüglich am Hintern. Für mich ist es am wichtigsten, als Mensch akzeptiert zu werden. Und das stimmt bei den Ampoinimeras. – Warum fragst du?«
    »Ich hatte eben mit dem Gedanken gespielt, ob du eventuell Lust hättest, für mich auf das Haus in Travemünde aufzupassen. Sich in der Saison um die Feriengäste zu kümmern, im Winter das Haus in Schuss zu halten. – Natürlich für eine bessere Bezahlung als die jetzige. Und oben hättest du die ganze Dachetage nur für dich allein. – Was meinst du, wär’ das was für dich?«
    Ria brauchte eine geraume Zeit, um sich das Angebot durch den Kopf gehen zu lassen. Einerseits gefiel ihr Frau Svavarson, und sie war sich sicher, dass sie eine ausgezeichnete Chefin abgeben würde. Andererseits war ihr Travemünde zu weit weg vom Lübecker Stadtleben. Vor allem gab es dort kein gutes Kino.
    Etwas zögerlich antwortete sie: »Ich weiß nicht recht. Es würde mir schon gefallen, weil ich dann öfter mit dir zusammen sein könnte. Aber andererseits kenne ich das Haus ja noch gar nicht. Und wie kann ich dann meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, den

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