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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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harmloser, lebenslustiger Idiot. Doch da hatte Winters Menschenkenntnis ihn getäuscht. Genau wie umgekehrt bei Hilal Aksoy, die nicht annähernd so unangenehm war, wie er von flüchtigen Begegnungen geglaubt hatte. Gut, er und sie waren nicht immer einer Meinung. Aber menschlich war sie in Ordnung.
    Er war froh, dass heute Freitag war und er zu Fuß nach Hause musste, weil Carola das Auto zum Einkaufen hatte. Bis zur Glauburgstraße waren es vom Präsidium aus zwanzig Minuten, gerade richtig, um sich die Füße zu vertreten und sich den Arbeitsfrust vom kalten Wind aus dem Kopf blasen zu lassen.
    Beim Verlassen des Gebäudes trugen ihn seine Füße wie selbstverständlich zum Haupteingang – und zur Kriminalwache, die gleich daneben lag. Er musste mit jemandem reden. Mit jemandem, der nicht zu seinem Team gehörte, aber das Präsidium kannte.
    Auf der Wache herrschte keine große Hektik. Die Beamten der Spätschicht hatten gerade ihren Dienst begonnen. Hilal Aksoy saß tippend am Computer, zum Glück ein gutes Stück entfernt von den übrigen Kollegen. Sie arbeitete so konzentriert, dass sie Winter erst bemerkte, als er neben ihr stand.
    «Oh. Hallo, Andi.»
    «Ich würde gerne kurz mit dir reden, wenn das im Moment geht.»
    «Kein Problem.» Sie warf ihren Zopf zurück, der heute geflochten war, zog ihm einen Stuhl heran und drehte ihren zu ihm. «Setz dich.»
    Sie berührten sich fast an den Knien. Ihre dunklen Augen sahen ihn ernst und warm an. Ihm wurde klar, dass er hergekommen war, weil Hilal Aksoys Gegenwart ein Trostpflaster für ihn darstellte. So wie andere Leute sich in ähnlicher Situation einen Whisky
on the rocks
oder eine Packung Sahneeis mit Schoko-Orangen-Geschmack gönnten, so gönnte er sich Hilal Aksoy.
    Nein, das stimmte nicht. Er wollte wirklich mit jemandem reden und ahnte, dass er von seiner Frau Carola im Augenblick nicht das Verständnis bekommen würde, das er brauchte.
    «Ich hatte Ärger mit Fock und würde mich gerne mit jemandem aussprechen, der das nicht weiterträgt», sagte er leise. Die Kollegen im Hintergrund diskutierten lautstark ein Fußballspiel und würden wahrscheinlich nichts mitbekommen.
    Sie nickte. «Erzähl.»
    Das tat er. Sie äußerte angemessen Mitleid. Und dann lachte sie.
    «Weißt du noch, letztes Jahr? Da warst du dir so sicher, wer die Täterin war, und ich wollte immer noch weiterermitteln und hatte jeden Tag eine andere Idee, wer es stattdessen gewesen sein könnte. Wir haben uns aber trotzdem irgendwie geeinigt.»
    «Vor allem wäre keiner von uns beiden auf die Idee gekommen, zu Fock zu laufen und sich über den anderen zu beschweren.»
    «Weißt, du Andi, du kennst Fock besser als ich. Aber so, wie ich ihn erlebt habe, sind Focks Ansichten sehr wechselhaft, und vergesslich ist er auch. Heute regt er sich auf, morgen ist wieder alles in Ordnung. Über Focks Rüffel und Andeutungen würd ich mir erst mal nicht so viele Gedanken machen. Aber Sven Kettler … Ich hatte in dem Kalbacher Fall mehrere Tage mit ihm zu tun, als du im Urlaub warst. Da hatte ich den Eindruck, dass er sich auf unangenehme Weise profilieren will und es genießt, dass du nicht da bist. Mit dem könntest du weiter Probleme haben. Wahrscheinlich wird er nach ein paar Jahren zur nächsten Dienststelle wandern, weil selbst Fock ihn dann durchschaut. Aber bis dahin musst du ihn ertragen. Hab Geduld.»
    Winter seufzte. Aksoy konnte ja nicht ahnen, dass er nun mit zwei Baustellen leben musste: zu Hause und am Arbeitsplatz.
    Für den Bruchteil einer Sekunde legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Ihm wurde ganz heiß. Sie wechselte das Thema.
    «Was diesen Doppelmord betrifft: Du kannst da leider jetzt nicht mehr weitermachen, sonst bekommt Fock einen Anfall, und Kettler wird dein Todfeind. Aber es würde einen doch interessieren … – Sag mal, erinnerst du dich noch an diese Frau Manteufel?»
    «Die dicke Anwältin?»
    «Genau. Die hat doch eine kriminalistische Begabung. Immerhin hat sie letztes Jahr einiges rausbekommen, was wir übersehen hatten. Erzähl der doch einfach mal von dem Fall. Vielleicht hat sie Lust, diesen Preiß zu vertreten.»
    Verrückte Idee, fand Winter. Aber bevor er das kommentieren konnte, rief einer der Männer: «Hey, Lali, wir müssen raus.»
    «Was gibt’s denn?», fragte Aksoy, die sofort aufstand.
    «Gefährliche Körperverletzung in Bonames. Messerstecherei. Täter flüchtig.»
    «Viel Glück», wünschte Winter noch. Doch Aksoy hörte schon gar nicht mehr

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