Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
das nicht der merkwürdigste Gedanke? Ein Jäger, der seiner Beute ausgeliefert ist.
„Du kannst mich aufhalten, Elise.“ Er scheint es so zu meinen.
„ Ihr seid mein Herr“, flüstere ich nur.
„ Dann ist das deine Entscheidung?“ Langsam steht er auf. „Ja?“
Ich halte die Luft an. Er greift nach meinen Schultern und zieht mich hoch wie eine Puppe. Der Griff um meinen Stuhl entgleitet mir und ich hänge in seinen Armen und schaffe es nicht, den Blick abzuwenden.
Allmählich schiebt er mich auf die Wand zu – jene, die mit dem Frühling bemalt ist. Fort von der Sicherheit des Tisches. Weg von meinem Schokoladendessert. Ich habe nicht das Gefühl, Schokolade bewusst gegen einen Biss von ihm getauscht zu haben, jedoch befinden wir uns nun genau in dieser Situation.
Er drückt mich gegen die Wand und presst sich frontal an mich. Eingekeilt zwischen beiden, kann ich nicht zu Boden sinken, obwohl wenig in mir dazu beiträgt, es zu verhindern.
„Du willst mir also dienen“, murmelt er.
„ Ist das nicht meine Aufgabe, Herr?“
„ Mein Name muss unglaublich kompliziert sein.“ Er legt den Kopf schräg.
Schwarze Augen, dunkle Adern, lange Zähne, Raubtier. Ich bin es nicht gewohnt, mit einem Vampir plaudern zu können, der in diesem Zustand ist. Für gewöhnlich fällt das Reden dann weg und das Beißen drängt sich vor. Worauf wartet er?
„Mir gehen gerade einige Dinge durch den Kopf, die ich erst einordnen muss, Elise“, gesteht er und legt seine Hand an meine Wange. „Ich würde eine Menge dafür geben, wenn du aufhören würdest, mich Herr zu nennen und lieber meinen Namen benutzt.“ Sein Daumen wandert zu meinen Lippen und streicht darüber. „Wie oft muss ich dich noch küssen, bis du es tust?“
Er haucht mir einen Kuss auf die Lippen.
„Wie oft muss ich dich noch anknabbern, bis du es tust?“
Sein Zahn zwickt in meine Lippe. Ein kurzes Brennen, dann ein Streicheln seiner Zunge. Er schmeckt mich und heilt dabei meine Haut.
„Wie nah genau muss ich dir kommen, bis du es tust?“
Er drängt sich noch stärker gegen mich. Ich spüre seine Muskeln durch unsere Kleidung. Er ist so groß und stark und präsent. Seine Körperwärme sickert zu mir durch und verbrennt mich. Ohne es steuern zu können, wölbe ich mich ihm entgegen und er stöhnt auf.
„Glaubst du an Chemie, Elise?“ Sein Mund ist fast auf meinem und seine Augen schweben vor mir wie Magnete. „Glaubst du an Bestimmung?“
War es mein Schicksal, sein Eigentum zu werden? Ich weiß es nicht. Schon oft habe ich mich gefragt, ob ich den Unfall meiner Eltern hätte verhindern können. Ob ein Tun von mir oder die richtigen Worte dazu geführt hätten, dass sie nicht mit dem Auto unterwegs waren.
Diese Frage ist gleichzeitig eine Bürde. Was sagt es aus, dass ich sie nicht retten konnte, falls dies ging? Schuld ist ein Gefühl, das besonders schwer lastet, wenn die Schultern klein sind. Ich war fünf, als es passierte. Eine lange Zeit habe ich geglaubt, dass Tylandora meine gerechte Strafe ist.
Erst als Konstantin mir mit dem Daumen eine Träne fort wischt, merke ich, dass ich weine.
„Schon gut“, tröstet er mich.
Seine Hände greifen um meinen Kopf, halten mich fest und er legt seinen Mund auf meinen. Unsere Nähe und meine Verzweiflung sind eine brisante Mischung. Ich schließe die Augen und fühle nur noch. Ihn. Auf mir. Lippen – warm und fordernd. Er küsst mich hungrig und wild. Seine Zunge dringt in meinen Mund und umkreist meine. Ich klammere mich an ihn.
In diesem Augenblick vergesse ich, dass er mein Herr ist. Alles, was ich wissen muss, ist, dass er ein Mann ist und ich eine Frau. Er ist so viel älter als ich, er ist Vampir und ich Mensch, er ist reich und ich nicht einmal frei. Doch hier und jetzt spielt das keine Rolle.
Meine Hände umfassen seine breiten Schultern. Ich vernehme von draußen den kalten Herbstwind durch die Bäume streifen und gegen die Fenster drücken. Das Ticken der Wanduhr ist das einzige Indiz, dass die Zeit noch weiterläuft. Ansonsten steht der Moment still, reduziert sich auf unseren Kuss. Ich höre ihn kräftig atmen. Wenn ich ihn mit meiner Zunge necke, keucht er. Es gefällt mir und ich tue es noch einmal.
„Elise“, stöhnt er.
Mein Name bekommt einen kehligen Klang in seinem Hals. Er perlt über seine Lippen und ich sauge seinen Atem ein. Ich mag es, wenn er meinen Namen sagt. Mag er es deshalb, wenn ich seinen sage?
„Konstantin“, flüstere ich und er wird noch
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