Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Zeitpunkt überschlägt.
„Hypothetisch reden? Okay. Vollmond.“ Er schluckt. „Da wäre ich dabei.“
Ich muss fast lachen. Einerseits weil er so aufgeregt ist, aber vor allem weil sich die Antwort so aufdrängt.
„Natürlich wärst du dabei. Ich rede ja nicht von Sex mit mir selbst.“
„ Oder mit einem anderen“, stellt er klar.
„ Genau. Also wenn das quasi demnächst sein könnte...“, flüstere ich.
„ Oh absolut. Vollmond ist demnächst“, stimmt er zu.
„ Wann willst du dann mit der Familienplanung anfangen?“
Konstantin legt den Kopf schief und sieht mich eingehend an. Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich zum Fell. Wir lassen uns darauf nieder, obwohl direkt neben uns eine Couch steht. Sie scheint mehr bloß dekorativ angelegt zu sein, als der Teppich.
Ich sitze neben einem Mann, den ich im Grunde nicht kenne. Er ist mein Herr, hat mich gekauft, hat mich gerettet und ich werde sowieso bei ihm sein. Er ist mit seinem Thema direkt zu mir gewesen, hat mich nur für diesen Zweck gekauft: seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder zu sein. Neugier brodelt unter meiner Oberfläche.
„ Ich habe angenommen, da du erst achtzehn bist, dass dich das Thema Mutterschaft nicht hinter dem Ofen hervor lockt, wenn ich es anschneide“, beginnt er. „Und ich spüre selber keine Uhr im Nacken. Doch ich würde gerne in näherer Zukunft darüber nachdenken. Einfach, weil ich Kinder mag. Weil ich welche möchte. Also warum lange warten? Was ist mit dir, Elise?“
Mir ist schwindlig bei dem Gedanken, welche Perspektive er mir ermöglicht. Ich hatte nicht gedacht, Mutter werden zu können. Als ich mich umzubringen versuchte, bedauerte ich auch die Kinder, die ich niemals haben würde.
Und jetzt das!
„ Meine Kindheit war die glücklichste Zeit in meinem Leben“, sage ich schließlich. „Ich verbinde ein sehr warmes Gefühl damit, Nähe und Geborgenheit, und ich würde diese Zeit gern wieder in meinem Leben haben. Ein eigenes Baby, das ich liebhaben kann.“
Er küsst meine Hand und sieht mich an. „Das würde ich dir gern schenken, Elise.“ Konstantin lächelt mich beinahe erleichtert an. „Am Ende wollen wir also doch beide dasselbe.“
„Dasselbe Ende des Regenbogens“, flüstere ich.
Wendungen
Die Tage fliegen dahin und ich realisiere allmählich, dass ein Märchen Einzug in mein Leben gehalten hat. Wie es heißt, ist mir ganz gleich. Konstantin ist mein Prinz und mehr muss ich nicht wissen. Er zeigt mir nach und nach seine Räume, zu viele, als dass ich sie mir merken könnte und ich beginne zu überlegen, was sich daraus machen ließe. Sein Chauffeur hat recht damit, dass es nicht so leer stehen sollte.
Wir frühstücken gemeinsam im Bett, baden zusammen und genießen köstliche Mahlzeiten zu zweit bei Kerzenschein. Liebesgrüße aus der Küche von Armand. Nach Sonnenuntergang spazieren wir durch seinen Park und er erzählt mir von den Dingen, die ihn beschäftigen – Berufliches wie Privates. Er gewährt mir Einblick in sein Leben und gibt mir zu keiner Zeit das Gefühl, gekauftes Eigentum zu sein.
Natürlich ist er auch geschäftlich weg. Das Wochenende hat nur zwei Tage. Dennoch räumt er mir an jedem seiner Wochentage Zeit ein, sagt teilweise andere Termine ab.
Schließlich beherrscht eine Schlagzeile die Presse – meine Tante Tylandora. Er hat es wahrgemacht und die Finanzaufsicht auf sie gehetzt mit meinen und weiteren Unterlagen. Marcellus hat ihren Buchhalter in die Mangel genommen. Er ist nun Kronzeuge.
Ich habe erwartet, einigermaßen erschüttert zu sein, wenn ich es lese, doch irgendwie fühle ich nichts. Solange ich bei meiner Tante lebte, habe ich mich nach ihrer Zuneigung verzehrt und sie zum Dreh- und Angelpunkt meiner Existenz gemacht. Sie hat mich am langen Arm verhungern lassen. Durch die Distanz zu ihr, sind auch meine Wünsche in Bezug auf sie versiegt wie ein versandeter Brunnen. Ich wünsche ihr nichts Schlechtes, aber auch nichts Gutes.
Sie hat sich ins Ausland abgesetzt. Konstantin hat Wort gehalten und ihr diesen Rückzug gewährt. Ich bin froh, dass sie aus meinem Leben verschwunden ist und ich bin erleichtert, dass sie nicht mehr versuchen kann, Konstantins Geschäfte anzuzapfen wie eine Spinne, die eine Fliege im Netz hat. Das Herz bei meiner Tante ist nur ein Organ. Es schlägt und pumpt Blut durch ihren Körper, doch sie hat keine Gefühle. Ich hoffe, dass sie nicht anderen Leuten das Leben schwer macht, wo immer sie nun sein
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