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Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Titel: Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Winter
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meine große Liebe. Wer kann das schon sagen? Ich liebe sie immer noch. Da ist kein Platz für eine andere Frau. Im Kopf bin ich bei ihr, führe Selbstgespräche mit ihr, als stünde sie neben mir. Ich erzähle ihr alles. Solange sie hier drin lebt“, dabei hat er sich auf sein Herz getippt, „ist sie niemals fort und ich bin niemals allein. Manchmal kann ich sie antworten hören auf ihre ganz typische Art.“
    Auch Barnabas, dem Butler, konnte ich einige Sätze entlocken. Er ist eher ein ruhiger Mann, diszipliniert und höflich. Ich habe den Eindruck, dass er nicht gerne viel spricht. Aber das ist in Ordnung für mich. Er lächelt, wenn ich ihn sehe und ich weiß, dass er froh ist, dass das blonde Gift nicht mehr vorbeikommt.
    Dann ist da noch Marcellus. Ich habe ihn erst zweimal gesehen, beide Male sehr kurz. Wenn ich ihn mit einem Wort zusammenfassen müsste, würde ich ihn effizient nennen. Er ist groß und kräftig, eindeutig sportlich. Ich bin mir sicher, dass er Kampfsport kann und würde auf einen militärischen Hintergrund tippen. Andererseits würde Ex-Geheimagent genauso gut zu ihm passen.
    Es ist schwer, aus ihm schlau zu werden. Konstantin vertraut ihm blind. Er befolgt die Befehle seines Herrn ohne mit der Wimper zu zucken. Loyalität um jeden Preis. Ich weiß, dass er Fernando ins Koma befördert hat und für die Details verantwortlich war, die zum Abtauchen meiner Tante führten.
    Ich habe Marcellus noch nie lächeln sehen. Eigentlich ein gutaussehender Bursche, allerdings irgendwie verhärmt. Alle Bewegungen sind zackig und seine Haare raspelkurz. Er trägt die poliertesten Schuhe, die ich je gesehen habe.
    Im Grunde weiß ich nichts über ihn. Smalltalk Fehlanzeige. Alles, was er zu mir sagt ist: »Guten Tag, Madame« . Sein Abschied besteht aus einem knappen Nicken. Es gleicht mehr einem Salut, als einer Höflichkeitsfloskel.
    Manchmal stecke ich ihn gedanklich in eine dieser Uniformen von Palastwachen. Jene Leute, die nie einen Gesichtsmuskel verziehen dürfen. Konstantin äußert über ihn Sätze wie: „Ich vertraue ihm“, „Er ist ein guter Kerl“ oder „Er ist genau der Mann, den man im Ernstfall dabei haben will“. Wahrscheinlich ist er ein Außerirdischer.
    Auch zwei „Zimmermädchen“ bin ich schon begegnet. Sie tragen tatsächlich diese schwarzen Kleider mit weißer Schürze und weißer Mütze. Ganz wie man es von Hotels erwarten würde. Eine jobbt hier nebenbei, um sich das Studium zu finanzieren. Die andere ist hauptberuflich dabei.
    Ihr Name ist Veronissa, sie ist schätzungsweise fünfzig und ein mütterlicher Typ. Im Stillen nenne ich sie Frau Holle , weil sie mich unglaublich an diese Figur erinnert. Besonders, wenn sie große Kopfkissen aufschüttelt. Sie ist ganz und gar liebenswert und ich kann über sie das Duftsortiment der Badezusätze und solche Dinge ordern. Es fällt auch in ihren Aufgabenbereich, Konstantins Suite auf Vordermann zu bringen. Sie kümmert sich außerdem um mein ursprüngliches Zimmer, obwohl ich mich dort selten aufhalte.
    Meist lese ich im Turmzimmer oder spaziere unten am See entlang. Er ist nun fast völlig zugefroren. Bloß in der Mitte ist ein kleines Loch frei geblieben, das aussieht, als wollte es einen zum Fischfang einladen. Ich weiß, dass die Bruchkanten zu dünn sind, um darauf zu gehen.
    Ich freue mich bereits auf Dezember, wenn Konstantins Wachzyklen länger werden, die Kälte richtig hereinbricht und wir Schlittschuhlaufen können. Das habe ich nicht mehr gemacht seit ich klein war.
    Allmählich habe ich ein Alltagsgefühl für mein neues Leben entwickelt. Ich komme mir schrecklich dekadent vor, weil ich so untätig bin. Anfangs wollte ich dem Personal aushelfen, doch Konstantin muss sie angewiesen haben, mich davon abzuhalten. Wann immer ich frage, braucht niemand Hilfe. In einem Riesenhaus wie diesem kann das nicht stimmen. Selbst wenn ich den Satz »Ich bin sowieso gleich fertig« von einem von ihnen höre, geht das Putzen oder Kochen noch stundenlang weiter.
    Da ich langsam Verspannungen vom Daumendrehen bekam, flüchte ich mich oft stundenlang in die Welten tausender Bücher aus Konstantins Bibliothek oder male Bilder im Turmzimmer – nach wie vor mein liebster Raum. Langfristig muss ich mir eine Beschäftigung einfallen lassen. Bloß welche? Ich habe nichts gelernt.
    Als Konstantin nach Hause kommt, hat er einen riesigen Strauß Rosen dabei und lächelt mich zufrieden an.
    „ Rate“, fordert er mich auf.
    Ich muss lächeln.

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