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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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immer, wenn er eine Erwählung vornahm. Er blickte dem Hauptmarschall
    weiterhin tief in die Augen und hob den linken Arm im rechten Winkel, als wollte er die Zeremonie durchführen.
    Dann ließ er seine Hand fallen, zitterte und blickte starr und schockiert vor sich hin.
    »Hinaus!« rief er mit erblassendem Gesicht. »Hinaus, Ihr…
    widerwärtiger Kerl! Verlaßt sofort meine Burg. Hinaus aus meinem Land!«
    Borenson war schockiert. Er hatte die Menschen gesehen, die Gaborn während der letzten Woche Erwählt hatte: Arme, Narren und alte Frauen, die keinen Dolch führen könnten, um sich zu verteidigen, viel weniger noch ein Schwert.
    Jetzt lag einer der größten Krieger ihrer Zeit vor ihm auf den Knien, und Gaborn wollte den Mann verwerfen!
    Der Hauptmarschall lächelte in unerklärlichem Triumph.
    »Warum, mein Lord?« fragte er zwanglos. »Warum wollt Ihr mich fortschicken?«
    »Muß ich es aussprechen?« fragte Gaborn laut vernehmlich.
    »Ich sehe die Schuld, die in Eurem Herzen geschrieben steht.
    Muß ich es zu Eurer ewigen Schande aussprechen?«
    »Ich bitte darum«, antwortete der Hauptmarschall. »Nennt meine Sünde, damit ich weiß, daß Ihr der Erdkönig seid.«
    »Nein, ich werde sie nicht nennen«, tobte Gaborn, als würde ihm schon beim Gedanken daran übel. »Es sind Damen
    anwesend, außerdem halten wir ein Festmahl ab. Ich werde sie weder jetzt noch sonst irgendwann nennen. Aber ich werde Eure Dienste zurückweisen. Entfernt Euch.«
    »Nur der wahre Erdkönig wüßte, daß ich mein Leben nicht wert bin«, erwiderte der Hauptmarschall, »und nur ein wahrer Ehrenmann würde sich weigern, meine Sünde offen auszusprechen. Mein Angebot steht. Ich stelle mich in Eure Dienste.«
    »Und ich weise Euch trotzdem zurück«, entgegnete Gaborn.
    »Wenn ich nicht in Euren Diensten leben kann«, meinte Skalbairn, »so will ich wenigstens in Euren Diensten sterben.«
    »Das wäre vielleicht das Beste«, meinte Gaborn.
    Hauptmarschall Skalbairn erhob sich und schob sein Schwert in die Scheide. »Ihr wißt gewißlich, daß Raj Ahten in Eilmärschen nach Süden zieht, in das Herz Eures Mystarria.
    Ihr werdet ihn angreifen müssen – und zwar bald. Eure Feinde sähen es gerne, wenn er Euch besiegte.«
    »Das ist mir nicht unbekannt«, gestand Gaborn ein.
    »Die Redliche Horde ist auf dem Marsch nach Süden. Ich werde an Eurer Seite kämpfen, auch wenn Ihr mich haßt.«
    In dem überfüllten Raum herrschte vollkommene Stille, als der Hauptmarschall Heredon entschlossenen Schritts den Rücken kehrte.
    Borenson bemerkte den Blick auf Celinors Gesicht. Der Prinz legte nur den Kopf ein wenig schief und verfolgte das Spektakel mit einem berechnenden Blick.
    Borenson fiel auf, daß der junge Prinz es nicht wagte, sein eigenes Schwert in aller Öffentlichkeit anzubieten.
KAPITEL 8
Die grüne Frau
    A
    veran sah sich während des Fluges immer wieder um, blickte in die Ferne zur Festung und zu Brand hinüber und suchte nach Anzeichen dafür, daß sich etwas verändert hatte. Sie erwartete, den Qualm brennender Gebäude zu sehen oder das Getöse des Untergangs zu hören.
    Doch die Festung lag bloß schimmernd in der Morgensonne, das weiße Mauerwerk ihrer Türme glitzerte wie immer, bis es schließlich aus ihrem Blick entschwand – die wenigen Türme schrumpften erst zu einem winzigen Punkt über dem Horizont, dann, als immer mehr Wolken über den
    Niederungen aufstiegen, wurden sie vollkommen verschluckt.
    Selbst mit den Augen eines Weitsehers hätte Averan die Burg im Dunst verloren.
    Stundenlang blieb sie in der Luft. Die Welt zog unter den Flügeln ihres Flugtieres dahin. Kalte Luft peitschte ihr ins Gesicht, und die Sonne wärmte ihr den Rücken. Während die Wolken noch immer über den Tälern aufstiegen, reichten einige von ihnen bis hinauf in die Lüfte und wurden dort zu kristallinen Säulen und seltsamen Skulpturen. Averan wußte, in sie hineinzufliegen war stets ein Fehler. Sie waren mit vom Wind gepeitschten Eispartikeln gefüllt, und die Luftströmungen um sie herum konnten gefährlich sein.
    Man brauchte nur in ihre Nähe zu gelangen, um ihre
    beißende Kälte zu spüren. Averan hätte gern noch ihre ledernen Reithandschuhe gehabt, um ihre Hände warm zu halten.
    Sie schmiegte sich eng an den Hals ihres Tieres, um Ledernackens Körperwärme zu spüren, und lauschte auf den fast unmerklichen Rhythmus seines Atems, damit sie mitbekäme, falls er ermüdete.
    Zweimal im Laufe dieses Tages hatte sie Ledernacken unter

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