Schattenherz
Muyyatins auf, konnten aber an Fingern oder Zehen getragen werden oder auch an einer Schnur um den Hals und gingen daher nicht so leicht verloren wie eine Münze aus dem Norden.
Averan wählte einen einzelnen Silberring aus und legte ihn auf den Hundekadaver.
Dann setzte sie sich vor Roland auf dessen Pferd, und die drei entfernten sich in schnellem Tempo von der Kate und ritten über eine gewundene Straße hinauf in die Wälder der Trostberge.
Als sie die Kate verließen, war die grüne Frau noch immer damit beschäftigt, sich an Ledernackens Kadaver gütlich zu tun. Sie hob nicht einmal den Kopf, außer um einen gleichgültigen Blick in Averans Richtung zu werfen.
Eine Meile weiter machte die Straße ernst mit ihrem Anstieg hinauf in die Berge. Der Weg war von Erlen gesäumt, deren Blätter sich jetzt, Anfang des Herbstes, golden färbten. Weiter oben standen auch Fichten.
Hier wurde die Straße einsam, und die Bergflanken waren windumpeitscht. An einigen Stellen waren Felsbrocken herabgerollt und versperrten die Straße teilweise, so daß Roland gezwungen war, die Pferde um sie herumzulenken.
Noch ein Dutzend Jahre zuvor war die gesamte Landstraße in gutem Zustand gewesen, mittlerweile wimmelte es in diesen Bergen dermaßen von Banditen, daß die Männer des Königs sich nicht mehr die Mühe machten, den Weg in Ordnung zu halten.
Es war eine Stunde nach Sonnenuntergang, und Bessahan war bei seinem Versuch, die Boten des Königs einzuholen, den ganzen Nachmittag forsch geritten. Im Wald jedoch hatte sein Pferd einen Huf verloren, und er hatte haltmachen müssen, um den Schaden zu beheben, was ihn fast eine Stunde gekostet hatte.
Nur durch Zufall entdeckte Bessahan den Graak am
Straßenrand. In der Nähe einer Kate am Straßenrand stand eine kräftig gebaute Frau mit einer zerbeulten Laterne und starrte auf das tote Reptil in ihrem Obstgarten. Die Laterne hatte eine Haube aus einem durchschimmernden Keramikmaterial, das nicht viel Licht nach draußen ließ. In der Dunkelheit verwechselte die Frau Bessahan mit einem anderen.
»He, Koby, bist du das?«
Bessahan beherrschte die rofehavanische Sprache nur spärlich. Er wagte nicht, sie seinen Akzent hören zu lassen, also antwortete er lediglich mit einem Brummen.
»Hast du das gesehen? Jemand hat diesen Graak hier direkt am Haus getötet und ihm glatt den Schädel gespalten. Hier sind Spuren von zwei Pferden. Warst du das etwa?«
Bessahan schüttelte den Kopf. Nein.
»Und das verdammte Ungeheuer hat auch noch meinen
Hund getötet.« Die dicke Frau schüttelte angewidert den Kopf.
Sie war eine ältliche Person mit strähnigem Haar und einer fettverschmierten Schürze. Bessahan hatte die Gaben des Geruchssinns zweier Hunde übernommen. Er konnte Kernseife an ihr riechen, selbst auf fünfzig Schritt. Ein schmutziges Weibsbild, das für andere Wäsche wusch.
»Wer immer ihn getötet hat, hat mir keinen Gefallen damit getan«, stöhnte die Frau. »Wenn sie zu mir gesagt hätten: ›Kitty, willst du, daß wir das Ungeheuer hinter deinem Haus töten‹, hätte ich geantwortet: ›Nein. Laßt es in Frieden. Wenn ihr es tötet, macht das meinen Hund auch nicht wieder lebendig – und meine wertlosen Enten könnt ihr ihm auch lassen‹. Aber hört jemand auf mich? Nein!«
Die Frau sank noch tiefer in Bessahans Achtung. Sie war nicht nur fett und schmierig, sie redete auch viel daher, ohne nachzudenken.
»Also«, fragte sie, »hilfst du mir, es fortzuschaffen? Der Kadaver lockt bloß Wölfe an. Genaugenommen sieht es ganz so aus, als wäre bereits einer dran gewesen. Er ist völlig zerfetzt.«
Bessahan blickte die Straße entlang. Die Boten waren vermutlich in die Berge hinaufgeritten, in die Dunkelheit hinein. Er fragte sich, ob sie nachts den Weg über die Bergpfade riskieren würden. Nein, es wäre klüger, hier in der Nähe zu bleiben. Sie konnten überall ihr Lager aufgeschlagen haben – im Obstgarten oder am Hang.
Außerdem stand Regen bevor. Er konnte ihn im Wind
riechen. Es würde schwierig werden, ihre Witterung in der Nase zu behalten.
Er lenkte sein Pferd zu der alten Frau im schwachen Schein der Lampe. Sie blickte, plötzlich auf der Hut, hinter schweren Lidern zu ihm hoch.
»He, Ihr seid ja gar nicht Koby!« sagte sie vorwurfsvoll.
»Nein, tut mir leid«, antwortete Bessahan in seinem schweren Akzent. »Ich bin nicht dein Koby. Mein Name ist Bessahan.«
»Was tut Ihr hier?« fragte sie und wich, plötzlich in der Defensive, einen
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