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Schattenjäger

Schattenjäger

Titel: Schattenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Golden
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DREI
     
    In der Dunkelheit herrschte Harmonie.
    Zusammengeschlossen, zielbewusst, waren sieben Wesen eins. Jedes trug zum Ganzen bei, war präsent und doch untergeordnet, und das wunderbare, mächtige, tödliche Eine war größer als die Einzelnen, aus denen es bestand.
    Es… er… bewegte sich jetzt träge, konnte sich aber auch mit annähernd der Geschwindigkeit eines Gedankens bewegen, wenn er dazu getrieben wurde. Strahlend im Herzen, war sein Leuchten doch Schatten.
    Er regte sich, als die Ausläufer von etwas seinen Geist streiften. Etwas Vertrautes. Etwas, das er vernichtet wissen wollte. Etwas, das ihn und seine Aufgabe gefährdete.
    Bewahrer, nannte ein Teil von ihm die verhasste Beute.
    Wie kann das sein? Ein Bewahrer an einem solchen Ort?, wunderte sich ein anderer.
    Und da ist noch etwas. Die geistige Energie ist nicht allein die eines Protoss. Sie wurde befleckt – oder verstärkt. Es ist schwer, dies zu unterscheiden.
    Wie und warum, befleckt oder verstärkt… das alles ist einerlei. Was es auch sein mag, es muss gefunden und aufgehalten werden. Wie alle Bewahrer. Andere Teile, einst Einzelne, nun Bruchstücke des Ganzen, taten halblaut ihre Unzufriedenheit kund.
    Bewahrer bedeuteten eine schreckliche Bedrohung, vielleichtdie einzig wahre, der dieses Wesen, das sich in seinem vielfachen Bewusstsein selbst Ulrezaj nannte – nach dem stärksten der Individuen, die es ausmachten –, je begegnet war.
    Bewahrer wussten zu viel. Und so hielt Ulrezaj schon lange aufmerksam Ausschau nach jedmöglichem Anzeichen eines solchen. Er hatte sie einen nach dem anderen aufgespürt und ihnen ihr winziges zerbrechliches Leben genommen – und bald schon würde keiner mehr übrig sein. Es gab ohnedies nur noch eine Handvoll, und viele waren es nie gewesen. Es war eine dumme Form, Informationen in einer sterblichen Hülle zu transportieren, die sich so leicht zermalmen ließ.
    Die Sieben-die-eins-waren richteten ihre überragenden geistigen Kräfte auf diese seltsame Wahrnehmung, diese Kräuselung auf der Oberfläche eines dunklen, stillen Teiches.
    Ulrezaj würde den abtrünnigen Bewahrer finden. Er würde ihn finden, er würde ihn vernichten, und die Gefahr, die der Protoss darstellte, würde Vergangenheit sein.
    Und dann würde Ulrezaj sein glorreiches Werk fortsetzen.
     
    *
     
    Valerian führte sein Schwert, als griffen ihn sämtliche Dämonen der Hölle an.
    Parade, Streich, Drehung, Hieb, Stoß – die imaginären Feinde, die ihn aus allen Richtungen gleichzeitig bedrängten, gingen ringsum nacheinander zu Boden.
    Er sprang hoch, als ein nicht existentes Schwert nach seinen Knien zielte, setzte nach vorne, drehte sich um und parierte eine hinterhältige Attacke. Er duckte sich, rollte sich ab und kam schon wieder kämpfend hoch. Schweiß klebte sein helles Haar an die Stirn, sprenkelte seine Oberlippe, glänzte auf seiner Brust. Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren, und trotz allen Trainings atmete er stoßweise und keuchend.
    Er hatte noch nie im Leben derart konzentriert und intensivgeübt, und er sehnte sich nach dem Gefühl von Frieden, von dem er wusste, dass es solcher Anstrengung folgte.
    Er beendete die Übung, wirbelte das Schwert fachmännisch über dem Kopf, schob es in die Scheide und verbeugte sich.
    Valerian vergaß nie, sich zu verbeugen, ganz gleich, was geschah. Sich zu verbeugen hieß, sich seines Gegners zu erinnern. Und Valerian erinnerte sich immer, gegen wen er kämpfte.
    Jemand klopfte zögerlich an die Tür.
    »Kommen Sie herein, Charles«, rief Valerian. Er schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank durstig davon.
    Zwar schaute Whittier immer drein, als stimmte etwas nicht, aber diesmal war der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht noch betonter als sonst. »Sir«, sagte er, »es ist Seine Exzellenz. Er wünscht, auf der Stelle mit Ihnen zu sprechen.«
    Valerians Magen verkrampfte sich, aber er hatte jahrelange Übung darin, seine Gefühle zu verbergen, und so gelang es ihm, ganz ruhig zu erwidern: »Danke, Charles. Sagen Sie ihm, ich werde gleich da sein.«
    Whittier schluckte. »Sir, er wirkt ziemlich ungeduldig.«
    Valerian richtete die kühlen grauen Augen auf seinen Assistenten. »Ich werde gleich da sein, Charles«, wiederholte er in sanftem Ton.
    »Natürlich, Sir.« Whittier schloss die Tür.
    Valerian wischte sich mit einem Tuch das Gesicht ab und fasste sich. Nach dem Debakel in Stewarts Anwesen war ihm klar gewesen, dass er schon bald von seinem Vater hören würde.

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