Schattenjahre (German Edition)
ohnehin schon mit bissigem Hohn, weil er es nicht zum Dozenten brachte. Bei der Hochzeit in Oxford hatte ihr eine andere Zukunft vorgeschwebt. Er hätte sie nie geheiratet, wäre ihr Vater nicht Dekan in Oxford, denn er fand sie viel zu dominant, zu anspruchsvoll und selbstsicher. Eine Scheidung konnte er sich nicht leisten, weder in finanzieller noch in gesellschaftlicher Hinsicht. Und so rächte er sich an ihr und ihrem ganzen Geschlecht mit amüsanten kleinen Affären, drückte den Studentinnen sozusagen seinen Stempel auf, beraubte sie ihrer Ideale, zerstörte ihren Glauben an sich selbst, was ihre Sexualität und Intelligenz anging.
Und nun drängte ihn seine zerstörerische Veranlagung, Faye zu vernichten. Bald fand er Mittel und Wege. Eine zufällige Bemerkung des Dekans, wie gut sie sich doch trotz ihres unglückseligen Starts ins Leben entwickelt habe, veranlagte Jeremy zu diskreten Nachforschungen. Es fiel ihm leicht, Fayes Werdegang bis zu ihren Pflegeeltern zurückzuverfolgen. Was er danach eruierte, dauerte länger, aber die Mühe lohnte sich.
Er schwelgte geradezu im Resultat seiner detektivischen Arbeit. Das schlaue kleine Biest, die vermeintliche Jungfrau, so kühl und unantastbar … David würde einen Schock erleiden, wenn er die Wahrheit erfuhr. Der heilige David und seine Hure, dachte Jeremy lachend. Niemand konnte ihm weismachen, der arme Kerl, dessen Leben sie ruiniert hatte, sei nicht von ihr ermutigt worden. Das taten alle Frauen – sie waren alle gleich. Und manche fingen eben früher damit an als andere. Provokante kleine Bestien, die einen Mann an der Nase herumführten und dann protestierten, wenn sie bekamen, was sie herausgefordert hatten. Und Faye musste es genossen haben. Sonst hätte sie es nicht jahrelang mit ihrem Stiefvater getrieben. Wäre sie nicht schwanger geworden, hätte die Beziehung sicher noch länger gedauert. Typisch Frau, die Schuld auf einen Mann zu schieben …
Bei diesen Gedanken begann er zu schwitzen, ein heftiger Energieschub erregte ihn. Das bereitete ihm den größten Spaß am Sex – eine Frau körperlich zu unterjochen, wenn sie unter ihm lag, mittels schierer Kraft. Wenn sie protestierte – noch besser. Dann hatte er einen Grund, sie zu bestrafen, schnell und brutal in sie einzudringen und sich ausschließlich auf seine eigene Befriedigung zu konzentrieren.
Er strich über seine feuchte Stirn und unterdrückte seine Begierde. Bald würde er dem heiligen David alles über dessen kostbare Faye erzählen.
Clever inszenierte er den großen Augenblick und überredete seine Frau, eine kleine Cocktailparty für die Studenten und Studentinnen zu geben, die von der Universität abgehen würden. Faye wurde zusammen mit David eingeladen. Eigentlich wollte sie sich weigern, doch das verbot ihr Stolz. Sie hatte ihre Eins, und die konnte Jeremy Catesby ihr nicht mehr wegnehmen.
Da sie von ihren Eltern finanziell nicht unterstützt wurde, besaß sie nur wenig Geld und auch keine fashionable Garderobe. Meistens trug sie Faltenröcke und dicke Pullover im Winter, Jeans und T-Shirts im Sommer. Wie sollte sie sich für die Cocktailparty anziehen? Sicher handelte es sich um eine förmliche Feier. Es war ein heißer Sommer gewesen, und sie hatte sich leichtsinnigerweise eine dünne Baumwollbluse gekauft und mehrere kurzärmelige T-Shirts.
Nie trug sie Kleider, die etwas von ihrem Körper zeigten. Immer wählte sie Sachen, die ihrer gertenschlanken Figur etwas mehr Volumen gaben, sodass sie beinahe formlos aussah. Beim Make-up beschränkte sie sich auf einen dezenten Lippenstift, das Haar band sie straff am Hinterkopf zusammen. Die anderen Mädchen hatten sich an Fayes mangelnde Eitelkeit gewöhnt, ihr Widerstreben, mehr aus sich zu machen. Aber als sie am Tag der Cocktailparty den makellosen Rasen vor dem großen Haus der Catesbys betrat, bereiteten ihr die amüsierten, verächtlichen Blicke der Studentinnen wachsendes Unbehagen.
Es war David, der liebe, rücksichtsvolle David, der sie rettete, sich zu ihr gesellte und mit einemwarmherzigen Lächeln fragte, wie ihr der Garten der Catesbys gefalle.
Der gefiel ihr nicht, die rigoros gestutzten Rosenbüsche auf den mathematisch angelegten Beeten wirkten kalt und unpersönlich über dem nackten, von Unkraut befreiten Erdreich. „Überhaupt nicht“, gestand sie. „Das alles sieht so – reglementiert aus.“
„Braves Mädchen“, lobte er. „Meine Mutter wird dich mögen. Sie hasst solche Gärten. Warte nur, bis du
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