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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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fühlen.
    Bei seiner Rückkehr von der Schule traf er niemanden im Haus an. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel mit einer Nachricht von Mom. Sie würde spät heimkommen, er solle sich keine Sorgen machen.
    Kurz nach sechs erschien der Vater – ungewöhnlich früh. Mom war noch immer nicht da. Er fragte Daniel, ob er wisse, wo sie sei, und sein Blick ließ den Jungen erschauern. „Sie bildet sich immer noch ein, sie könnte mich überreden, dich auf diese feine Schule zu schicken. Das kommt gar nicht infrage! Soll ich mein sauer verdientes Geld vielleicht für teure Schuluniformen und Bücher ausgeben?“
    „Wohin gehst du?“, rief Daniel nervös, als Dad die hintere Haustür öffnete.
    „Das braucht dich nicht zu kümmern. Jeder Mann hat weiß Gott das Recht auf ein bisschen Trost. Das sagt sogar der Priester.“
    Um sieben kam die Mutter endlich nach Hause, erfreut und verängstigt zugleich. „Tut mir leid, dass es so spät geworden ist. Ich hab den Bus verpasst.“
    „Musstest du so lange arbeiten?“, fragte Daniel.
    „Was? Oh – ja, ja.“ Eine Schürfwunde zog sich über eine ihrer Wangen, und sie bewegte sich so steif, als würden ihr alle Knochen wehtun. Er fragte, ob sie hingefallen sei. Da wandte sie sich rasch ab und begann, das bereits saubere Spülbecken zu schrubben. „Ja … Heute Morgen, als du in der Schule warst, rutschte ich auf der Treppe aus. Ich muss wohl noch halb geschlafen haben. Zum Tee gibt’s besonders guten Schellfisch. Den hat mir Mrs Silverstone gegeben. Ich glaube, den kaufte sie für ihren Mann, aber der aß woanders, und sie mag keinen Fisch.“ Hinter diesem munteren Geschwätz spürte Daniel die Nervosität seiner Mutter. Er richtete ihr aus, was der Vater gesagt hatte, und beobachtete sie ängstlich.
    „Schon gut, mein Junge“, erwiderte sie sanft. „Du wirst das Stipendium annehmen, aber kein Wort zu deinem Dad.“
    „Und – das Geld?“
    „Darüber zerbrich dir nicht den Kopf. Alles ist arrangiert. Deine Nan wird dir helfen, und zusammen mit meinem Verdienst …“
    „Nan?“ Er blinzelte verwirrt. „Sie will mir helfen? Aber sie mag mich doch gar nicht – nicht so wie die anderen Kinder. Jeden Sonntag …“
    Er sah, wie sich Mom auf die Unterlippe biss. „Nein, ich meine nicht deine Nan Ryan, Danny, sondern deine Nana Rees. Heute Abend habe ich mit ihr telefoniert, bei Mrs Silverstone. Das war in Ordnung, sie hatte es mir erlaubt. Aber ich wollte mit dem Anruf bis nach sechs warten, weil esda billiger ist.“
    „Nana Rees …“ Verwundert starrte er seine Mutter an. „Aber …“
    „Nein, keine Fragen, Danny – und denk dran, kein Wort zu deinem Dad.“
    Er war fast sechzehn, als sein Vater auf einer Baustelle einen tödlichen Unfall erlitt, und konnte nicht um ihn trauern. Mittlerweile hasste er Dad viel zu sehr. Es war John Ryan zwar nicht gelungen, seinen Sohn von dem Stipendium abzuhalten, aber dafür musste Mom bitter büßen. Regelmäßig wurde sie verprügelt, das wusste Daniel, obwohl sie es stets bestritt und stoisch behauptete, sie sei ungeschickt gewesen und hingefallen. Oft hatte es ihn gedrängt, sie zu fragen, warum sie Dad nicht verließ. Sie konnte diesen Mann unmöglich lieben, wenn er sie so grausam behandelte. Er quälte sie nicht nur mit brutalen Schlägen, sondern mit seiner ganzen Haltung ihr gegenüber. Da er Katholik war, lehnte er eine Scheidung kategorisch ab, das wusste Daniel. Kein Ryan hatte jemals in eine Scheidung eingewilligt.
    Wie Daniel den Gesprächen seiner Verwandten entnahm, hatte Dad eine Frau, die er regelmäßig besuchte und bei der er manchmal sogar über Nacht blieb. „Natürlich ist sie schuld“, hörte er Liams Frau Sheila sagen. „Wäre sie eine richtige Ehefrau, würde er nicht weggehen. Offensichtlich schlafen sie nicht miteinander. Sie haben ja nur Danny.“
    Der Gedanke, die Mutter müsste die sexuellen Bedürfnisse des Vaters befriedigen, widerte Daniel an. Und die Vorstellung, er hätte sein Leben diesem gefühllosen Monstrum zu verdanken, war geradezu unerträglich.
    Er hatte noch immer nicht herausgefunden, ob der Vater wusste, woher das Geld für die Schulbücher, die Schuluniform und sonstige Dinge stammte. Jedenfalls beschloss er, Mom alle Opfer zu vergüten, die sie für ihn gebracht hatte. Das wollte er tun, sobald er dazu in der Lage war. Und auch der unbekannten Großmutter würde er die Großzügigkeit vergelten.
    Oft fragte er Mom, warum sie nie nach Wales zu ihrer Familie fuhren: Wie er

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