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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Augen groß und rund, und sein Herz schlug schneller vor wohliger Aufregung.
    Aber an den Sonntagen war die Mutter anders – so als wäre alles Leben aus ihrem Körper gewichen. Und dann das Rätsel um Moms Eltern … Daniel wusste, dass sie in Wales lebten, aber Mom und Dad fuhren nie mit ihm hin. Die walisischen Großeltern schickten immer nur zu Weihnachten eine Postkarte und ein Pfund für sein Sparbuch.
    Oft wollte er Mom nach ihren Eltern fragen. Er fand es seltsam, dass sie so oft von Wales und ihrer Kindheit sprach – und nie von ihrer Familie. Aber ihr beharrliches Schweigen über dieses Thema hielt auch ihn davon ab, es anzuschneiden. Er war ein feinfühliges Kind, kleiner und zarter gebaut als seine Ryan-Vettern, die ihn hänselten und als Weichling bezeichneten. Daniel nahm sich vor ihnen in Acht, und von den Jungs hatte er auch nichts zu befürchten, aber die Mädchen kniffen und zwickten ihn, und dann kreischten sie, als hätte er sie gepeinigt. Ihr Geschrei lockte natürlich jedes Mal einen Erwachsenen an, der nachschaute, was da los war. Und dann schluchzte eine der Cousinen: „Daniel hat mich gekniffen …“
    Wer immer sich vom vergnüglichen Getratsche im Wohnzimmer entfernt hatte, um nach der Ursache des Lärms zu forschen, gab Daniel einen Klaps und gesellte sich dann wieder zu den anderen Erwachsenen.
    „Dein Daniel ist ein Unruhestifter“, hörte er Nan einmal bissig zu seiner Mom sagen. Er wollte protestieren, aber in seinem Hals saß ein dicker Kloß, denn er wusste, dass Nan ihm nicht geglaubt hätte, dass es ihr gefiel, ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben. Er verstand das nicht. Und er begriff ebenso wenig, warum sie ihn nie auf ihren Schoß zog, warum er jedes Mal vergessen wurde, wenn man begehrte Süßigkeiten verteilte, warum seine Onkel ihn nie in die Luft warfen wie ihre anderen Jungs.
    Sogar sein eigener Vater schien ihm die anderen Kinder vorzuziehen. Wenn sie ausgingen, musterte er Daniel missbilligend, daheim ignorierte er ihn. Nicht, dass er oft da gewesen wäre … Nie kam er zur Teestunde nach Hause wie die meisten Männer. Stattdessen marschierte er schnurstracks in den Pub und kehrte erst heim, wenn Daniel im Bett lag. Dann hörte er den Vater schimpfen und fluchen und die Mutter anschreien und fragen, wo das Abendessen sei.
    In solchen Augenblicken zog sich Daniel stöhnend die Decke über die Ohren. Auch seine Onkel schrien oft – aber bei seinem Dad klang es irgendwie anders, und es ließ ihn frösteln. Er war überzeugt, dass er seinen Vater nicht liebte – zumindest brachte er ihm nicht das gleiche instinktive, elementare Gefühl entgegen wie der Mutter. Und er zweifelte auch, ob der Vater ihn liebte. Dieser Gedanke weckte oft einen stechenden Schmerz in der Brust.
    Mit elf Jahren schnitt er bei den staatlichen Prüfungen so hervorragend ab, dass er ein Stipendium für eine angesehene höhere Schule bekam. Seine Mutter freute sich sehr, der Vater nicht.
    Er kam spät nach Hause und stank nach Bier. Als der Vater die Küche betrat, sah Daniel, wie die Mutter zusammenzuckte, und plötzlich merkte er, wie klein und zierlich sie war, nicht größer als er selbst. Und beide wurden von der einsfünfundachtzig hohen Länge des Vaters bei Weitem überragt.
    Dad war schlecht gelaunt, das erkannte Daniel sofort. Er fluchte und beklagte sich über Dick Fogarty, einen Vorarbeiter bei der Baugesellschaft, und das Herz des Jungen wurde schwer. In Liverpool fand man nur sehr selten einen Job, und sein Vater war schon mehrmals entlassen worden, weil er sich ständig mit seinen Kollegen prügelte. Er hatte gehört, wie seine Onkel darüber redeten, und ihre vielsagenden Blicke gesehen.
    Hastig servierte die Mutter dem Vater die Mahlzeit. Er wollte immer essen, sobald er nach Hause kam. Daniel fand, Dad sollte erst nach oben gehen und zumindest seine Hände waschen, ehe er sich an den Tisch setzte. Die Finger starrten vor Schmutz, die Nägel waren schwarz und abgebrochen.
    Daniel und Mom hatten Sardinensandwiches gegessen, aber Mutter hatte von ihrem mageren Lohn genug zusammengekratzt, um für den Vater Hackfleisch zu kaufen und eine Pastete zu backen.
    Wenn auch nie darüber gesprochen wurde – Daniel wusste, dass Dad der Mutter manchmal überhaupt kein Geld gab. Dann musste sie von dem Gehalt, das sie als Putzfrau verdiente, die Miete zahlen und die Kosten für die Lebensmittel bestreiten. Es bedrückte den Jungen, mit anzusehen, wie sie manchmal die Straße entlangging

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