Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
Vom Netzwerk:
festhalten wollte, bis … Gedankenverloren lockerte er seinen Griff um Sages Oberarme, und plötzlich riss sie sich los und rannte zur Tür.
    Er musste sie gehen lassen. Wie ihm sein Verstand sagte, konnte er sie nicht hier einsperren. Als sie aus seinem Haus stürmte, bedrückte ihn das eigenartige Gefühl, sie enttäuscht zu haben. Unsinn – er war mit Scott befreundet, nicht mit Sage. Und Scott hatte schon vor dem Unfall beschlossen, nach Australien zurückzukehren. Daheim würde man ihn rund um die Uhr betreuen. Er würde die Pflege erhalten, die er brauchte, um aus dem Koma zu erwachen, um sich vollends zu erholen. Diese Aufmerksamkeit vermochte Sage ihm nicht zu schenken. Sie besaß nicht dieerforderliche innere Stabilität. In mancher Hinsicht war sie noch ein Kind. Und seit diesem Abend wusste Daniel, dass ein behütetes, verwöhntes Kind aus einem reichen Elternhaus nicht automatisch gegen die unerfüllte Sehnsucht nach Liebe gefeit war.
    Während Daniel in die Vergangenheit zurückblickte, erinnerte sich auch Sage an jene Zeiten und überlegte schaudernd, ob sie dazu verdammt war, stets die Menschen zu verlieren, die sie am meisten liebte. Erst David, dann Scott – und jetzt rang die Mutter mit dem Tod … Abrupt unterbrach sie diesen Gedankengang und schloss die Augen.
    Liebte sie ihre Mutter? Wie konnte sie – wo sie doch wusste, dass diese Liebe nicht erwidert wurde? Sekundenlang empfand sie den hilflosen Zorn des Kindes, das sie einmal gewesen war. Sie entsann sich, wie sie bei Davids Begräbnis abseits von den anderen gestanden hatte – sie hatte sich wie eine unerwünschte Außenseiterin gefühlt. Liz beugte sich besorgt zum Rollstuhl ihres Mannes hinab, Faye rückte näher an die Schwiegermutter heran. Und während Sage den Sarg des Bruders in der Grube versinken sah, wusste sie, dass es keiner von den dreien bemerken würde, wenn sie einfach davonginge … Im Lauf ihres letzten Schuljahrs war David gestorben. Noch am selben Morgen hatte er mit ihr gesprochen und sie über einen heftigen Streit mit der Mutter hinweggetröstet. Welch ein sinnloser, grausamer Tod … Oft fragte sie sich, wie Liz die Kraft fand, diesen Verlust zu ertragen. Wäre David ihr eigenes Kind gewesen …
    Hing ihre Angst vor einer Schwangerschaft mit jener Tragödie zusammen? Fürchtete sie, den Tod eines geliebten Kindes niemals so tapfer hinnehmen zu können wie ihre Mutter? Und an Liz’ Liebe zu David bestand kein Zweifel. Ihn hatte sie stets viel mehr geliebt als die Tochter.
    Einer seltsamen Schicksalslaune zufolge, waren sie alle beisammen gewesen, während sie die Schreckensnachricht erhalten hatten. Faye und David waren mit Camilla, damals noch ein Baby, zu Besuch nach Cottingdean gekommen. Wie gut erinnerte sich Sage an ihre Eifersucht angesichts der zärtlichen Gefühle, die der Bruder seiner Frau und seinem Kind entgegengebracht hatte …
    Er musste an einer Versammlung teilnehmen, wegen irgendeiner Angelegenheit, die den Gemeinderat betraf. Es würde nicht lange dauern, versicherte er und ging.
    Eine knappe Stunde später erschien die Polizei und berichtete von dem Unfall. David habe das Lenkrad zur Seite gerissen, um einem unachtsamen Kind auf dem Fahrrad auszuweichen, die Kontrolle über den Wagen verloren und war gegen einen Baum geprallt. Er sei sofort tot gewesen.
    Sie saßen alle im Wohnzimmer. Der Vater hatte einen seiner seltenen guten Tage. Automatisch schaute Sage zuerst auf die Mutter, dann auf ihn.
    Die Mutter wirkte ruhig und gefasst. Aber der Vater … Sage sprang von ihrem Stuhl auf, lief zu ihm, wollte seine Trauer teilen, ihn umarmen und festgehalten werden, während sie in ihrer eigenen Verzweiflung versank. Doch er versetzte ihr einen so heftigen Stoß, dass sie stürzte und mit der Schulter gegen die Schreibtischkante stieß. „Raus!“, schrie er. „Verschwinde! O Gott, warum musste es David sein? Dich hätte es treffen sollen!“ Wilde Wut und abgrundtiefer Hass schwangen in seiner Stimme mit.
    Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht schlimmer sein können. Mühsam schluckte sie ihre Tränen hinunter. Natürlich wusste sie, dass er David immer vorgezogen hatte. Aber es zu hören, in harte Worte gefasst, im vollen Ausmaß zu erkennen, wie breit die Kluft zwischen seiner Liebe zu David und der Abneigung gegen sie war – das hatte unendlich wehgetan.
    Sage erinnerte sich, als wäre es erst gestern geschehen – an den pochenden Schmerz in der Schulter, an das bleischwere Gefühl in ihrem

Weitere Kostenlose Bücher