Schattenjahre (German Edition)
Täuschungsmanöver zu inszenieren, das weder Daniel noch sie selbst überzeugt, sondern ihre Scham nur vertieft hätte. „Was soll ich nicht?“, fragte sie mit schneidender Stimme. „Soll ich dich nicht begehren wie eine läufige Hündin?“ Sie beobachtete, wie sich seine Kinnmuskeln anspannten, und lachte bitter. „Du hast ganz recht. Das ist obszön. Ekelhaft – das Allerletzte, was du dir wünschst, auch das Letzte, was ich will. Keine Bange. Seit einiger Zeit habe ich mich besser unter Kontrolle. Frag mich nicht, warum ich dich begehre. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht die alte Geschichte von der abgewiesenen Liebhaberin …“ Nun hatte sie sich wieder völlig in der Gewalt, sprach in ruhigem, spöttischem Ton. Das nackte Entsetzen in den grünen Augen war kühler Wachsamkeit gewichen, und sie schien nicht mehr in Daniels Gesicht, sondern durch ihn hindurchzuschauen.
Sie wollte an ihm vorbeigehen, aber er trat ihr in den Weg. „Sage, wir …“
„Es gibt kein ‚Wir‘. Das hat es nie gegeben und wird es auch nie geben.“
„Du willst mich doch.“
Neuer hilfloser Zorn erfasste Sage. „Ja“, stimmte sie schaudernd zu. „Aber meine Selbstachtung ist mir wichtiger. Um sie zu erringen, musste ich lange und hart kämpfen. Ichbrauche keinen Mann, der aus Mitleid oder Neugier mit mir schläft. Und wenn du in Erwägung ziehst, meine Schwäche für dich auszunutzen – damit ich deine Machenschaften bezüglich dieses Hauses vielleicht vergesse …“
Sie war zu weit gegangen. Das verriet ihr sein Blick, und sie fühlte, wie sein Zorn die Grenzen seiner Selbstbeherrschung sprengte. Panik stieg in ihr auf, und sie versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben. Doch er packte sie, drängte sie gegen die Wand, hielt sie mit dem Gewicht seines Körpers gefangen. Seine Finger umschlossen ihre Handgelenke, bezwangen die Gegenwehr ihrer Arme.
Ehe sein Mund ihren berührte, stieß er hervor: „Das hätte ich schon damals tun sollen. Und wenn ich’s getan hätte …“ Seine Stimme erstickte unter der Kraft eines Kusses, und Sage versuchte sich einzureden, weder ihr Körper noch ihre Seele hätten sich in all den Jahren danach gesehnt. Erinnerungen, die sie vergessen zu haben glaubte, erregten ein neues schmerzhaftes Verlangen. Und dazu kam die alte Angst, dieser Mann könnte etwas besitzen, was den anderen fehlte, etwas Gefährliches, dessen Existenz sie nicht wahrhaben durfte, weil sie sonst noch mehr geschwächt würde.
Mit ihrer ganzen Willensstärke kämpfte sie gegen Daniel und gegen sich selbst. Aber er kannte ihre Verwundbarkeit, und die nutzte er, um sie zu besiegen. Er weigerte sich, ihre fest geschlossenen Lippen zu akzeptieren, die angespannten Muskeln ihres Körpers. Unbarmherzig presste er ihr die Arme zu beiden Seiten gegen die Rippen und rieb sich so sinnlich an ihr, dass ihr Herz in stummer Lust aufschrie und ihr Fleisch schmerzte, als würde es von tausend Fäusten attackiert.
Er spürte, was mit ihr geschah, litt unter seiner eigenen hilflosen, überwältigenden Reaktion und hob den Kopf. Unwillkürlich lockerte er seinen Griff, während er nach Worten suchte, um die Bitterkeit in ihren Augen zu lindern, um ihr zu gestehen, sie sei nicht allein in ihrer Qual, in ihrer Begierde. Aber dieses kurze Erschlaffen seiner Finger genügte ihr, um sich loszureißen und zur Tür zu laufen.
Daniel hätte sie zurückhalten und wieder umarmen können. Aber er hatte noch nie eine Frau zur Hingabe gezwungen. Er fand es widerwärtig, auch nur daran zu denken, und deshalb ließ er Sage gehen.
19. KAPITEL
Sie verlangsamte ihre Schritte erst, als sie den Porsche erreichte, stieg ein und schloss die Tür, doch sie zitterte viel zu heftig, um den Motor zu starten. Schweiß und Angst hatten ihren ganzen Körper erhitzt. Seufzend wischte sie ihre bebenden Hände an den Jeans ab. Wie hatte sie nur dermaßen die Beherrschung verlieren und sich so schmählich verraten können? Um Himmels willen, ich bin nicht mehr neunzehn, sagte sie sich, während sie endlich davonfuhr. Warum hatte sie sich so gehen lassen? Sie besaß genug Erfahrung mit ihren eigenen sinnlichen Bedürfnissen und mit den sexuellen Verhaltensweisen der Männer, also hätte es ihr gelingen müssen, diese katastrophale Szene mit Daniel zu vermeiden.
Es war sinnlos, sich einzureden, es habe am Schock der unerwarteten Situation gelegen. Aber im Augenblick brachte sie nicht die nötige Kraft auf, um sich die Wahrheit einzugestehen. Und so verdrängte sie
Weitere Kostenlose Bücher