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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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diese Überlegungen. Es gab genug andere Dinge zu bedenken. Zynisch lächelte sie und fragte sich, wie ihre Mutter unter ähnlichen Umständen gehandelt hätte. Wäre sie damenhaft und gefasst geblieben, in ruhiger Selbstsicherheit?
    Ärgerlich trat Sage aufs Gaspedal und versuchte das Dröhnen des Motors zu nutzen, um ihre Gedanken zu verscheuchen. Sie beschloss, im Garten ihrer Mutter Unkraut zu jäten. Körperliche Aktivitäten würden ihr helfen, die Erinnerung an Daniel zu verbannen.
    Am nächsten Morgen, als Sage die Treppe hinabstieg, sah sie Faye in der Halle umherwandern, die sonst viel zu glatte sanfte Stirn sorgenvoll gerunzelt. Eigentlich wollte Sage, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, nichts von den Problemen mit Camilla hören, aber sie unterdrückte einen Seufzer und blieb stehen. „Stimmt was nicht?“
    „Nun ja … Ich muss wegfahren. Camilla ist im Stall. Würdest du ihr Bescheid sagen, wenn sie zurückkommt?“ Faye eilte zu den Stufen, ohne eine Antwort abzuwarten, und Sage schaute ihr neugierig nach.
    Was ist bloß los mit Faye, fragte sie sich. In letzter Zeit benimmt sie sich völlig uncharakteristisch. Aber das kann man von uns allen sagen …
    In Liz’ Abwesenheit schienen sie sich zusehends zu verändern. Oder kamen durch die Belastung des schweren Unfalls bisher verborgene Wesenszüge zum Vorschein? Unwillkürlich ging Sage zur Bibliothek und öffnete die Tür. Sie holte tief Luft, und ihre Nervosität ließ nach, als hätte sie einen friedlichen Hafen gefunden.
    Automatisch blickte sie zum Schreibtisch. Sich von den Problemen der Gegenwart zu entfernen, sich in der Vergangenheit zu verlieren, im allmählich dahinflutenden Leben der Mutter – das war eine Möglichkeit, Abstand von den Ereignissen des Vortags zu gewinnen. Die Lektüre der Tagebücher würde sie von den eigenen Schwierigkeiten und Erinnerungen ablenken.
    Aus anderen Teilen des Hauses drangen gedämpfte Geräusche zu ihr. Irgendwo saugte Jenny Staub. Faye bereitete sich zweifellos auf ihre Ausfahrt vor. Das alles erschien Sage so weit weg, als geschähe es auf einem fernen Planeten. Sie setzte sich hinter den Schreibtisch, schloss ein Schubfach auf und nahm das Tagebuch heraus, in dem sie zuletzt gelesen hatte.
    In fieberhafter Hast blätterte sie die Seiten um. Wie sie sich eingestand, wurde ihr Interesse an der Schreiberin fast noch übertroffen vom Bedürfnis, die Gedanken an Daniel zu vertreiben.
    Daniel … Ein Schauer durchlief sie, als sie sich entsann, wie es gewesen war, ihn zu spüren, den Duft seines Eau de Toilette zu riechen. Obwohl sie sich selbst dafür verachtete, erkannte sie, dass ihre Schwäche für ihn niemals nachgelassen hatte. Die Szene in der Old Hall war unvermeidlich gewesen, weil ihr die Kraft gefehlt hatte, ihre Gefühle zu bekämpfen.
    Jahrelang hatte sie nicht an Daniel gedacht. Wäre sie danach gefragt worden, hätte sie behauptet, sich kaum an ihn zu erinnern. Gerade sie, die immer so stolz auf ihre Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber war, hatte sich so gefährlichen, dummen Illusionen hingegeben.
    Die Zeilen des Tagebuchs verschwammen vor ihren Augen, und sie zwang sich zur Konzentration, um der Gegenwart endlich zu entrinnen. Für immer würde sie die Erinnerung an gestern nicht verdrängen können, aber wenigstens für eine gewisse Zeit, um den dringend benötigten inneren Frieden zu finden. Sie las die ersten Worte.
    „Heute verließ uns der junge Vic, um die lange Reise nach Australien anzutreten. Ich fuhr ihn nachSouthampton. Edward wollte uns nicht begleiten. Sogar kürzere Autostrecken findet er jetzt beschwerlich. Wie Chivers das schaffte, weiß ich nicht, aber er trieb jedenfalls genug Benzin für uns auf. Ich habe keine Ahnung, was wir ohne ihn tun würden. Mit Edward, für den dieser kühle, feuchte Sommer eine Qual war, kann er großartig umgehen. Die Kälte dringt meinem Mann in die Knochen, und seine Beinstümpfe schmerzen. Ian Holmes tut sein Bestes. Aber er hat mir erklärt, wenn er ihm Morphium verschreiben würde, das einzig wirksame Mittel, könnte Edward völlig abhängig von dieser Droge werden und womöglich nicht mehr ohne sie leben. Chivers wies mich auf Lebertran hin, der sei sehr hilfreich bei allen Formen von Rheumatismus. Und er überredete Edward sogar, jeden Morgen zwei Esslöffel von dem grässlichen Zeug zu schlucken.
    Ian Holmes erwähnte, eine Zentralheizung würde Edwards Beschwerden lindern. Wir sollten uns an das Ministerium wenden

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