Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
Vom Netzwerk:
mit ihrem Leben, von dem sie geglaubt hatte, es wäre unter Kontrolle? Wann hatte diese Kontrolle begonnen, aus den Fugen zu geraten? Mit dem Unfall der Mutter? Mit der Erkenntnis, dass die stark eingeschränkten körperlichen und seelischen Kontakte mit dem anderen Geschlecht, die sie sich zugestand, keinen sexuellen Appetit mehr erregten?
    Die Kette der verwirrenden Ereignisse hatte schon lange vor diesem Abend begonnen, vor dem unwillkommenen Erwachen alter Erinnerungen. Aber wie sie nicht leugnen konnte, bildete das Wiedersehen mit Daniel ein massives Glied in dieser Kette, das sie nicht herauszureißen vermochte.
    Autoscheinwerfer glitten ihr entgegen, und sie trat instinktiv auf die Grasböschung am Straßenrand. Daniels grauer Aston fuhr an ihr vorbei, dann hörte sie, wie das Tempo des Wagens gedrosselt wurde, wie er anhielt. Panik erfasste sie, und sie wollte davonlaufen, sich verstecken – nicht, weil sie ihn als Mann fürchtete. In sexueller Hinsicht würde er ihr nicht gefährlich werden. Nein, sie wollte vor ihren eigenen Erinnerungen fliehen, vor ihrem Kummer, ihrer Selbstverachtung.
    Der Wagenschlag wurde geöffnet und geschlossen. Wenn sie jetzt davonrannte … Doch ihr Stolz zwang sie, steif und starr stehen zu bleiben. Aber nichts konnte sie veranlassen, sich ihm zuzuwenden, als er näher kam.
    „Ich dachte, du fährst nach Hause.“
    „Nein, ich habe mich anders besonnen.“
    „Trotz deiner hohen Absätze?“ Auch früher war ihm nichts entgangen.
    „Es ist nicht verboten, Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen“, fauchte sie. „Und wenn du deinen Willen durchsetzt und hier eine sechsspurige Straße baust, sind die Tage unserer Fußmärsche ohnehin gezählt.“
    „Die Straße wird eine Meile von dieser Stelle entfernt verlaufen. Von Haus Cottingdean aus wirst du sie nicht einmal sehen. Also dürfte sie euer Leben dort kaum beeinflussen. Aber du hast schon immer eher emotional als logisch reagiert, nicht wahr?“
    „Was machst du hier, Daniel? Du bist auf der falschen Seite des Dorfs. Die Straße nach London …“
    „Ich weiß, ich bin falsch abgebogen. Deshalb musste ich zurückfahren.“
    Sie hatte das seltsame Gefühl, dass er log, obwohl seine Erklärung plausibel klang. Fiel es ihr nur deshalb so schwer, ihm zu glauben, weil sie ihn kannte und weil es nicht zu ihm passte, falsch abzubiegen?
    Daniel beobachtete sie, und sie kämpfte gegen die magnetische Kraft seiner Aufmerksamkeit. Seine Augen hatten dieselbe Farbe wie sein Auto, und sie brauchte ihn nicht anzuschauen, um die beklemmende Wirkung seines Blicks zu spüren. Sie erinnerte sich auch an seine lächerlich langen Wimpern, die seinem Gesicht früher einen fast verletzlichen Ausdruck verliehen hatten. Wie dumm von ihr! Verwundbarkeit war die allerletzte Eigenschaft, die man ihm zuschreiben konnte.
    Das schmerzhafte Pochen in ihrem Kopf, das während der Wanderung etwas nachgelassen hatte, kehrte zurück. Automatisch presste sie ihre Finger an eine Schläfe.
    „Migräne?“
    Sie starrte ihn verblüfft an und vergaß ihren Entschluss, seinem Blick auszuweichen. „Wieso weißt du …“
    Sein ironisches Lächeln trieb ihr das Blut in die Wangen, drehte die Zeit um fünfzehn Reifejahre zurück und verwandelte sie in das Mädchen, das sie einmal gewesen war.
    „Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis“, erwiderte er trocken.
    „Offensichtlich“, stimmte sie bitter zu. „Nun werde ich dich nach Hause bringen. Eine Frau sollte es heutzutage nicht riskieren, bei Nacht durch eine so einsame Gegend zu laufen.“
    „Nein danke, ich brauche frische Luft …“
    „Wenn du daheim bist, kannst du ja im Garten spazieren gehen. Dort bist du sicher.“
    Die Selbstverständlichkeit, mit der er ihre Entscheidungen traf, erregte ihren Zorn. „Ich will nicht mit dir fahren“, entgegnete sie, doch er hatte bereits ihren Arm genommen und führte sie zum Auto. Zum Glück bildete die Strickjacke eine dichte Barriere zwischen seinen Fingern und ihrer Haut, und sein Griff war nicht allzu fest.
    Es ist wohl einfacher, klein beizugeben, als mit ihm zu streiten, dachte sie seufzend, während er ihr höflich die Wagentür aufhielt, und stieg ein. „Es wäre wirklich nicht nötig“, bemerkte sie.
    „Das weiß ich“, antwortete er und startete den Motor. Er war ein guter Fahrer, vorsichtig und kontrolliert. „Seltsam“, meinte er, als das Tor von Haus Cottingdean in der Dunkelheit auftauchte. „Ich hätte nie gedacht, dass du einmal eine

Weitere Kostenlose Bücher