Schattenkinder
Fernbedienung irgendwo versteckt. Ich sag ja, sie sind ge-meingefährlich. Wo ist Jen? Kann ihre sarrkastischen Kommentare kaum erwarten.
Luke las, was Jen gerade schrieb: »Ich bin hier und übrigens, Scan, ich stehe eben doch früh auf. Ich will bloß am frühen Morgen nicht immer gleich mit dir zu tun haben. Was ist los, Carlos? Hast du Schweiß in den Augen? >Sarkastisch< schreibt man nur mit einem >r<.«
Sie drückte eine andere Taste und die Worte erschienen augenblicklich unter den anderen, gefolgt von einer weiteren Zeile:
Sean: Dir auch guten Morgen, Jen, Schön, dass du noch unter den Lebenden bist.
Jen tippte schnell: »Nein, nur unter den Versteckten. Das ist nicht dasselbe!!!« Dann schickte sie auch diese Nachricht ab.
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Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
»Was ist das?«, fragte Luke. »Eine Art Spiel?«
Er erinnerte sich daran, dass Jen schon einmal von einem Carlos gesprochen, aber nicht erklärt hatte, wer er war. Handelte es sich hier um eine Art künstliche Computerfreunde?
»Carlos, Sean, Yolanda sind allesamt Schattenkinder wie wir. Sean hat sogar noch einen Bruder, Pat, er ist ein viertes Kind. Und auf diese Weise unterhalte ich mich mit ihnen.«
Luke sah die nächste Zeile auftauchen.
Carlos: Danke für dein Mitgefühl, Jen.
»Aber wie?«, fragte Luke immer noch zweifelnd.
»Na, du weißt schon. Über das Internet«, antwortete Jen. »Wenn du irgendwann mal ein oder zwei Stunden Zeit hast, erklär ich dir gern den Technikkram. Für mich ist die Hauptsache, dass es funktioniert. Ich würde sterben, wenn ich niemanden hätte, mit dem ich reden kann.«
Sie tippte sogar beim Sprechen. Luke reckte den Hals, um mitzulesen: »Wisst ihr was? Der Junge, von dem ich euch erzählt habe, Luke, ist hier bei mir.«
Blitzschnell erschien dreimal Hallo Luke auf dem Bildschirm.
Panik stieg in ihm auf.
»Aber die Regierung...«, sagte er. »Sie werden mich finden...«
Jen boxte ihm gutmütig gegen den Arm. »Reg dich ab. Niemand aus der Regierung kann in diesen geheimen Chatroom hinein. Wir benutzen alle ein Passwort, das nur Schattenkinder kennen. Und selbst wenn jemand anderes hier mitlesen würde, was könnten sie schon herausfinden? Nur dass irgendwo auf der Welt jemand namens Luke lebt. Na und?«
»Aber dich können sie über den Computer aufspüren und dann finden sie mich auch.« Luke hatte immer noch Herzklopfen.
»Sieh mal. Wenn sie wirklich Leute über den Computer ausfindig machen könnten oder über diesen Chatroom, meinst du nicht, dass sie mich dann schon vor Ewigkeiten aufgestöbert hätten?«, fragte Jen.
Luke versuchte nachzudenken. »Deine Eltern...«, sagte er. »Du hast gesagt, dass sie Leute bestechen. Also bist du sicher. Aber meine...«
Jen schüttelte den Kopf.
»Nein, ich bin nicht sicher«, sagte sie bitter. »Nicht einmal meine Eltern könnten etwas ausrichten, wenn mich die Bevölkerungspolizei findet. Vielleicht können sie sie davon abhalten, mich zu suchen - vielleicht aber auch noch nicht mal das. Die Bevölkerungspolizei kassiert für jeden Illegalen, den sie erwischt, eine wahnsinnig hohe Belohnung. Warum, glaubst du wohl, muss ich mich verstecken? Und warum ist mir diese Kundgebung so wichtig? Jeder Mensch sollte sicher sein. Niemand sollte andere bestechen müssen, nur um auf der Straße herumlaufen oder einkaufen oder spazieren fahren zu können.«
Luke spähte zum Bildschirm hinüber, auf dem die Unterhaltung weiterging.
»Wie sind diese ganzen Leute an das Passwort gekommen?«, wollte er wissen. »Woher hast du es?«
»Na, ich habe den Chatroom gegründet, also habe ich es erfunden«, antwortete Jen.
»Und ich kannte ein paar andere Schattenkinder und habe meine Eltern und deren Eltern überredet ihnen das Passwort weiterzugeben. Und manche von diesen Kindern haben das Passwort dann an andere Schattenkinder weitergegeben, die sie kannten. Als ich das letzte Mal nachgezählt habe, hatte ich Kontakt zu achthundert Schattenkindern.«
Luke schüttelte den Kopf. Nicht einmal seine Eltern kannten so viele Leute, vermutete er.
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Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
»Und wie heißt das Passwort?«, fragte er.
»>Frei<«, sagte Jen. »Es heißt >frei<.«
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Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
Kapitel 19
An diesem Tag verließ Luke Jens Zuhause mit einem Stapel Bücher und Computerausdrucken im Arm.
»Ein bisschen Lesefutter für dich«, hatte sie gesagt, »damit du es begreifen lernst.«
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