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Schattenkinder

Schattenkinder

Titel: Schattenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Entschuldigung zu verlangen.
    Aber egal, was er tun wollte, er hätte dafür zu Jen hinübergehen müssen, und das war unmöglich. Es regnete Tag und Nacht, der Regen fiel wie ein langer, trauriger Vorhang herab und machte Luke auf seinem Ausguck aus den Ventilatoröffnungen nur noch niedergeschlagener. Unten im Haus hörte er den Vater herumstampfen und immer wieder murmeln, dass ihm mit jedem Regentropfen die Zeit und der Mutterboden davonlaufe. Luke fühlte sich wie ein Gefangener.
    Als er am Donnerstagabend zu Bett ging, war er fest davon überzeugt, dass er kein Auge würde zumachen können bei der Vorstellung, wie Jen und die anderen nun im Auto saßen und immer weiter wegfuhren, weg von ihm und hinein in die Gefahr. Trotzdem musste er eingenickt sein. Als er erwachte, war es stockdunkel.
    Sein Herz klopfte und er schwitzte. Hatte er geträumt oder hatte er etwas gehört? Eine Diele knarrte. Er versuchte zu horchen, aber in seinen Ohren rauschte es. Atmete dort ein anderer Mensch laut und voller Angst oder war er es selbst? Ein Lichtstrahl huschte über sein Gesicht.
    »Luke?« Ein Flüstern.
    Luke fuhr in seinem Bett hoch.
    »Jen? Bist du das?«
    Sie knipste die Taschenlampe aus.
    »Ja. Ich hab schon gedacht, ich brech mir den Hals auf der Treppe. Warum hast du mir nicht erzählt, wie steil sie ist?« Sie klang ganz wie die alte Jen, kein bisschen sauer. Und auch nicht verrückt.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du sie je heraufkommen würdest«, erwiderte Luke.
    Es war absurd, sich in dieser Situation über Treppen zu unterhalten, mitten in der Nacht, in seinem Zimmer.
    Jedes Wort, das sie sprachen, war gefährlich. Mutter hatte einen leichten Schlaf. Aber Luke war froh nicht über das sprechen zu müssen, was Jen wirklich mit ihm bereden wollte.
    »Deine Eltern haben die Türen nicht abgeschlossen«, sagte Jen. Auch sie schien zu zögern. »Ich sollte froh sein, dass die Regierung Haustiere verboten hat. Hatten die Farmer früher nicht alle riesige Wachhunde, die einem mit einem Biss den Kopf abreißen konnten?«
    Luke zuckte die Achseln, dann fiel ihm ein, dass Jen ihn im Dunkeln gar nicht sehen konnte. »Jen, ich...« Er wusste nicht, was er sagen wollte, ehe er es schließlich aussprach. »Ich kann immer noch nicht mitkommen.
    Es tut mir leid. Es hat etwas damit zu tun, dass meine Eltern Farmer sind und keine Anwälte. Und dass wir nicht zu den Baronen gehören. Es sind Leute wie du, die die Geschichte verändern. Leute wie ich - wir fügen uns dem Lauf der Dinge.«
    »Nein, das stimmt nicht. Du kannst etwas tun...«
    Luke ahnte Jens Kopfschütteln mehr, als dass er es sah. Selbst im Dunkeln konnte er sich genau vorstellen, wie ihre sauber geschnittenen Strähnen hin und her wippten und sich dann wieder an ihren Platz legten.
    »Es tut mir leid«, fuhr sie fort. »Ich bin nicht hergekommen, um auf dir herumzuhacken. Was wir vorhaben, ist gefährlich und jeder sollte aus freien Stücken mitmachen. Ich war unfair neulich. Ich wollte dir nur sagen -
    dass du mir ein guter Freund gewesen bist. Ich werd dich vermissen.«
    »Aber du kommst doch wieder«, wandte Luke ein. »Morgen - oder übermorgen - nach der Kundgebung. Ich komme dich besuchen. Und wenn deine Kundgebung Erfolg hat, spaziere ich zur Vordertür herein.«
    »Wir können hoffen«, sagte Jen sanft. Ihre Stimme wurde immer leiser.
    »Leb wohl, Luke.«
    – 59 –
    Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
    Kapitel 25
    Luke machte in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Mit dem ersten Tageslicht stand er auf und scheuerte leise den Dreck weg, den Jen hereingeschleppt und auf der Treppe hinterlassen hatte. Es sah ihr ähnlich, nicht an Dreckspuren zu denken. Er hoffte inständig, dass sie bei der Kundgebung an alle Details gedacht hatte.
    Luke war gerade mit den letzten Spuren auf dem Küchenboden beschäftigt, als er im oberen Stock die Toilette rauschen hörte. Er verbarg die schmutzigen Lumpen im Mülleimer und schaffte es gerade noch rechtzeitig zurück auf seinen Platz auf den Stufen, wo ihn die Mutter fand, als sie die Treppe herunterkam.
    »Guten Morgen, du Frühaufsteher.« Sie gähnte. »Warst du heute Nacht auf? Ich dachte, ich hätte was gehört.«
    »Ich hab nicht gut geschlafen«, sagte Luke wahrheitsgemäß.
    Wieder gähnte die Mutter.
    »Und du bist früh auf... Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich hab nur Hunger«, erwiderte Luke.
    Doch er stocherte nur in seinem Essen herum. Jeder Bissen blieb ihm im Hals stecken.
    Als die anderen

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