Schattenkrieg
Ulrich suchen. Der soll den Zug auf dem Appellplatz zusammentrommeln. Wassermann, Sie gehen ins Lager und sagen dem Menschen dort, dass er mir eine MPi 1 mit Munition und Tragegurt und vor allem ohne Schulterstütze bereitlegen soll. Lassen Sie sich auf keine Diskussionen ein. Ich werde selbst vorbeischauen und sie mir abholen, sobald ich mich beim Kompaniechef zurückgemeldet habe.«
Die beiden Soldaten bestätigten ihre Befehle eilig. Müde ließ sich Veronika in den Sitz sinken. Sie hatte einen guten Teil ihrer Ausdauer verloren, was vermutlich am Blutverlust lag. Am liebsten würde sie sich jetzt in ihren Schlafsack und die Decken einwickeln, sich auf ihr Feldbett fallen lassen und bis übermorgen schlafen.
Sie erreichten die Basis. Veronika marschierte in die Offiziersmesse, dabei die Soldaten ignorierend, die ihr begegneten und sie grüßten. Es war kurz nach zehn Uhr, die Wahrscheinlichkeit somit recht groß, Hauptmann Hagen dort anzutreffen.
Sie sollte recht behalten. Der Kompanieführer hatte sein Frühstück noch nicht beendet.
Sie salutierte zackig und meldete: »Leutnant Wagner, zweiter Zug, zurück zum Dienst, Herr Hauptmann!«
»Stehen Sie bequem, stehen Sie bequem«, murmelte Hagen. Er stand auf und schüttelte ihr die Hand. »Schön, dass Sie wieder da sind! Aber hätten Sie sich denn nicht noch ein paar Tage lang schonen sollen?«
»Ich wollte so schnell wie möglich wieder bei meinen Männern sein, Herr Hauptmann!« Das war noch nicht einmal gelogen, obwohl die Aussage für Veronika natürlich eine völlig andere Bedeutung besaß als für Hagen.
»Das ist sehr vorbildlich. Dann wünsche ich Ihnen viel Glück für Ihren neuen Einstand. Und falls Sie doch einmal Schwierigkeiten mit Ihrem Arm haben sollten, können Sie ja jederzeit ihrem Zugfeldwebel das Kommando überlassen. Er hat dafür bestimmt ebenso Verständnis dafür wie ich.«
Veronika standen die Haare zu Berge, wenn sie sich vorstellte, Ulrich noch einmal das Kommando über ihren Zug zu überlassen, doch sie antwortete: »Jawohl, danke sehr, Herr Hauptmann!«
Ihr nächster Weg führte sie in das Lager. Sie war überrascht, auf dem Appellplatz schon einem Großteil ihrer Männer zu begegnen. Aber schlechte Neuigkeiten sprachen sich eben schnell herum, und Veronikas Laune war heute eine
sehr
schlechte Neuigkeit.
Der Lagerist war nicht im Magazin 2 . Sie beschloss, nicht auf ihn zu warten, und kletterte einigermaßen geschickt über den Tresen. Als sie das Lager betrat, sah sie ihn in einem Durchgang zu den Garagen. Er stand mit dem Rücken zu ihr, hielt eine Zigarette in der Hand und unterhielt sich mit einem Mechaniker, der sie bemerkte und mit einer Handbewegung den Lageristen (er hieß Schleifer, erinnerte sie sich) warnte. Dieser drehte sich hastig um, sie sah die Zigarette durch das Garagentor nach draußen fliegen. In den Garagen – und natürlich und vor allem im Magazin, wo Munition und zum Teil auch Sprengstoff gelagert wurde – herrschte striktes Rauchverbot. Er lief auf sie zu und salutierte.
»Haben Sie die MPi?«, blaffte sie ihn an.
»Ja, Frau Leutnant, eine MPi-2 3 . Ich habe bloß keine ohne Schulterstütze da.«
Sein Blick fiel auf die Schlinge, in der sie ihren linken Arm trug. »Äh … ich … kann …«, stotterte er, als er verstand, dass eine Waffe
mit
Schulterstütze keine Alternative war für einen Soldaten, der nur einen Arm benutzen konnte, »… ich kann natürlich eine der MPis nehmen und die Schulterstütze abbauen, wenn Sie möchten!« Schleifer sah sie kurz an, deutete ihren bösen Blick richtig und fügte hinzu: »Das dauert nicht lange, höchstens zehn Minuten!«
»Ich warte solange.« Einem kleinen, bösartigen und frustrierten Teil von ihr machte es Spaß, den Mann leiden zu sehen.
»Natürlich, Frau Leutnant!« Hastig suchte er das Werkzeug zusammen, das er benötigte, und machte sich an die Arbeit.
»Noch eine andere Frage: Was ist eigentlich mit den Blauhelmen passiert, nachdem sie hier im Kosovo abgeschafft worden sind?« Sie hatte am Vorabend im Lazarett den Helm eines ihrer Soldaten untersucht und herausgefunden, dass unter dem Tarnanstrich keine blaue Farbe war, also mussten die Helme irgendwo abgeblieben sein.
»Die habe ich noch auf Lager.«
»Genug für meinen Zug?«
»Genug für die ganze Kompanie, wenn es sein muss, Frau Leutnant. Wir werfen die Dinger doch nicht weg!« In seiner Stimme klang gekränkte Berufsehre mit.
»Gut, Schleifer, hören Sie mir gut zu, denn ich
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