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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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kamen. Dies war die zentrale Versammlungshalle des Clans MacRoberts und zugleich der Treffpunkt des Fürstenrates. Dudelsackmusik und Stimmengewirr klangen aus ihrem offenen Tor.
    Mehrere Druiden hatten sich vor dem Eingang jener Halle in Grüppchen zusammengefunden. Die meisten von ihnen trugen ihre besten Kleider aus feinem Tuch, teuer eingefärbt mit den Farben ihrer Banner, oftmals mit Stickereien oder anderem Zierrat versehen. Einige trugen Schmuck: Armreifen oder Ohrringe, Medaillons und Amulette, viele aus Bronze oder Silber, manche jedoch auch aus Gold. Nur wenige hatten auf Eitelkeit und Statussymbole verzichtet und trugen das einfache Wolltuch und Leder ihres täglichen Lebens.
    Auch Ronan hatte sich für die Versammlung herausgeputzt, schließlich vertrat er Nerin und damit einen Stammeshäuptling. Er trug seine besten Lederstiefel, graue Hosen, ein blaues Wams mit einer grauen Festung auf der Brust und darüber einen Umhang mit gleicher Farbe und Motiv. Das Leinen stammte von den Britonenstämmen Dänemarks, die Farben von den großen Fernhändlermärkten in Ceum Ceàird, und beides war furchtbar teuer gewesen. Er war früher stolz auf diese Kleider gewesen, doch heute schämte er sich für die Eitelkeit seiner jüngeren Tage.
    Er war umlagert von einer Gruppe Ratsmänner, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, ihm ihr Beileid auszusprechen. Ronan hasste jeden Einzelnen dafür. Mit steinerner Miene stand er da, ließ sich auf seine Schulter klopfen und seine Hand schütteln, während vor ihm eine Prozession von Druidenfürsten vorbeirauschte. Er hörte gar nicht richtig zu, sondern nickte nur müde, in der Hoffnung, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
    Seine Stimmung wurde immer finsterer. Die Wunde, die Derriens Tod in seinem Herzen gerissen hatte, war zu frisch und zu tief. Sicherlich hatten sie oft miteinander gestritten, doch trotz allem hatten sie sich sehr nahegestanden. Was es nur noch schlimmer machte, war das nagende Gefühl,
mitverantwortlich
zu sein an Derriens Schicksal. Wenn Ronan früher auf ihn gehört und im Rat einen Kriegszug gegen Bergen gefordert hätte, wäre es vielleicht ganz anders gekommen.
    Dazu kam der böse Streit, den er über Derriens Tod mit seinerFrau begonnen hatte. Schon dass sie kaum Trauer zeigte, war eigentlich genug, um Ronans Ärger herauszufordern – aber dass Maela selbst jetzt noch nicht aufhören konnte, ihre abfälligen, kleinen Spitzen gegen Derrien auszusprechen, das hatte ihn aufgebracht und ihn Dinge sagen lassen, die besser ungesagt geblieben wären.
    Seine Ehe hing in Fetzen, sein Bruder war tot, und nun hatte sich offenbar jeder einzelne Fürst des Rates in den Kopf gesetzt, ihm Beileid aussprechen zu müssen. Er versuchte, nicht auf die Worte zu hören, nicht in die Gesichter zu blicken, nickte hierhin und dorthin und bedankte sich artig.
    »Darf ich Euch einen Augenblick sprechen, Ronan?«, fragte eine leise, förmliche Stimme zu seiner Rechten und durchbrach seine Gedanken. Er blickte auf. Cintorix war zu ihm getreten.
    Der helvetische Fürst hatte sich für diesen Tag gut vorbereitet. Ganz seiner Rolle als zukünftiger Heerführer entsprechend trug er unter dem roten Waffenrock ein funkelndes Kettenhemd und metallene Arm- und Beinschienen. Seinen Helm hielt er in der Hand, am Gürtel trug er ein langes Schwert. Seine grauen Haare waren ordentlich gescheitelt, der den Mund umrahmende Bart war sorgfältig zurechtgestutzt. Seine glatten Gesichtszüge und die unauffälligen braunen Augen täuschten darüber hinweg, dass die Spinne auf seinem roten Waffenrock viel besser seinen Charakter beschrieb als sein kriegerisches Äußeres.
    »Natürlich«, erwiderte Ronan und ließ sich von dem Helvetier vom Eingang der Ratshalle wegziehen. Insgeheim war er froh, den Ratsmännern entkommen zu können, auch wenn es nur für einen Augenblick war.
    Cintorix führte ihn durch das dunkle Treppenhaus des Südturms auf die Mauern der Festung. Zwischen zwei Zinnen stützte sich Ronan auf die Brustwehr und blickte nachdenklich nach draußen.
    Es war ein stürmischer Tag. Die Wolken standen hoch und trieben schnell nach Osten über das Festland in Richtung Schweden,wo die Sonne gerade ihre ersten Strahlen über die Hügelkämme warf. Das Meer war grau von Gischt und Schaum der aufgepeitschten Wellen. Am Hafen traf ein Gewirr aus Fischern letzte Vorkehrungen für einen neuen Tag auf dem Meer, die ersten Kähne hatten bereits Segel gesetzt und stachen in See.

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