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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Innenwelt wechseln und zurück nach Kêr Bagbeg marschieren. Wenn er gut war, würde er dort irgendwann am Nachmittag ankommen – aber nur, wenn die Straße hier bei all diesem Regen nicht irgendwo unter einem Erdrutsch begraben war.
    In Kleive hielt der Bus an, und eine Gruppe von sechs Männern stieg aus. Männer, die die Woche über in Trondheim geschuftet hatten und nun das Wochenende bei ihren Familien verbringen würden. Dadurch wurde der Platz neben Ronan frei. Mit einem leisen Gähnen machte er es sich etwas gemütlicher. Von hintenkam jemand und setzte sich auf einen der leeren Plätzen der anderen Gangseite. Ronan beachtete den Neuankömmling nicht. Es war wie er ein bedauernswertes Geschöpf auf der Suche nach etwas mehr Bequemlichkeit. Er streckte die Beine unter den Sitz vor ihm und dachte zurück an die Versammlung.
    Am meisten machte ihn betroffen, dass er Casey nicht selbst angeklagt hatte, obwohl er ihn ebenso durchschaut hatte wie diese Keelin. Doch
ihn
hatte sein schlechtes Gewissen zurückgehalten. Wie hätte er auch aufstehen und den MacRoberts anklagen können, er, der genau das Gleiche getan hatte? Wie hätte er das vor seinem Gewissen verantworten können?
    Das einzig moralisch Richtige wäre gewesen, den Schotten zu enttarnen und im gleichen Moment die eigene Schuld zu bekennen. Doch stattdessen hatte er geschwiegen und zugesehen, wie seine Pflicht von einer Zwanzigjährigen übernommen worden war. Ronan fragte sich, ob er jemals wieder ohne Gewissensbisse Recht über seine Gefolgsleute sprechen sollte. Und wie sollte er seinem Sohn Ergad Verantwortungsbewusstsein lehren, wo er selbst auf diesem Gebiet versagt hatte?
    Grelles Licht blendete ihn. Er blinzelte und stellte fest, dass der Fremde auf der gegenüberliegenden Seite eine Taschenlampe auf ihn gerichtet hatte. Er wollte schon fragen, was das soll, als das Licht auch schon zur Seite geschwenkt wurde. Nun beleuchtete es die Hand des Fremden.
    Sie hielt eine Pistole auf ihn gerichtet.
    Das Licht ging aus. »Schön still«, murmelte eine leise Frauenstimme hinter ihm. »Und nicht umdrehen. Wir wollen doch niemanden nervös machen, oder?«
    Ronan erstarrte. Ein einziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf:
O Götter!
Genau das, was er jetzt noch brauchte. Ein Raubüberfall im Bus!
    »Was wollt ihr von mir?«, fragte er leise, den Blick starr geradeaus gerichtet. »Geld?«
    »Informationen.«
    O Götter!
fluchte er noch einmal. Die Frage sagte ihm bereits mehr über seine Gegenspieler aus, als ihm lieb war. Waren es Schatten? »Was für Informationen?«, fragte er und stellte sich dumm.
    »Na, zum Beispiel darüber, wo du gerade herkommst. Und wo du hinwillst.«
    Ronan zuckte betont mit den Schultern. »Das ist kein Geheimnis«, erklärte er. »Ich komme von der Arbeit in Trondheim und fahre nach Hause nach Åndalsnes.«
    »Wo arbeitest du denn?«
    »Auf einem Schiff.« Er dachte blitzschnell nach. »Auf der
Nordstjernen

    »So. Und was hast du in den Hügeln gemacht?«
    Ronan spannte sich an. Jetzt war er sich sicher, dass das kein gewöhnlicher Überfall war. Diese Leute hatten ihn beobachtet. Er war tatsächlich aus den Hügeln im Westen Trondheims gekommen, um genau zu sein von dem Steinkreis, der die Pforte des dortigen heiligen Haines markierte. Er antwortete nicht. Stattdessen machte er sich bereit zum Kampf. Schusswaffe hin oder her, sie waren beide nahe genug, um sie anzugreifen. Sie hatten zwar eine Pistole, aber er konnte es trotzdem schaffen. In der Dunkelheit war genaues Zielen unmöglich.
    »Das solltest du lieber nicht tun«, erklärte die Frau hinter ihm. Er spürte kaltes Metall an seinem Hals. »Das ist eine Klinge, die dich töten kann. Also entspanne dich und bleib locker! Okay?«
    »Okay«, murmelte Ronan mit sinkendem Mut.
    »Gut. Also: Wer bist du wirklich, und –«
    Mit einem ohrenbetäubenden Krachen donnerte etwas gegen den Bus und zermalmte die ersten Reihen. Ronan schlug hart gegen den Sitz vor ihm. Eine Welle von eisigem Wasser schoss durch zerborstene Fensterscheiben und riss ihn fast vom Sitz. Die Beleuchtung erlosch vollends und tauchte den Bus in finsterste Nacht. Glas klirrte. Wasser floss gurgelnd aus dem Bus. Ein paar Fahrgäste stöhnten. Niemand schrie, so heftig war der Schock in diesem ersten Moment.
    Benommen wischte sich Ronan Blut aus dem Gesicht. Sterne tanzten vor seinen Augen in der Dunkelheit. Seine Nase fühlte sich gebrochen an. Es roch nach faulem Seetang und öliger Meeresluft. Er wollte

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