Schattenkrieg
er ihnen bis über die Knie reichte. Darunter hatten sie Hemden aus grober Wolle und Lederstiefel. Beide trugen ein großes, silbernes Amulett um den Hals, auf denen ein filigranes Muster zu erahnen war.
Die beiden beendeten ihren Disput. In beinahe akzentfreiem Englisch fragte der Größere: »Wie kommst du hierher?«
Sie sprechen Englisch!
Ein riesiger Stein fiel Keelin vom Herzen, obwohl die Schwierigkeiten damit keineswegs aus der Welt waren. Was sollte sie antworten? Es war nicht fair, in einem Traum solche Fragen beantworten zu müssen! Denn egal, was sie sagen würde, die beiden Männer würden sich zum Narren gehalten fühlen. Und Keelin wollte niemanden zum Narren halten, der mit einem Schwert auf sie zeigte.
Was wohl passiert, wenn er damit zusticht? Ob ich dann aufwache?
Sie beschloss, es nicht auszuprobieren zu wollen. »Ich weiß es nicht …«, murmelte sie und versuchte es mit der Wahrheit. »Ich … träume euch …«
Die beiden blickten sich an. Dann nickten sie, als ob es für sie eine ganz vernünftige, normale Erklärung wäre. Der etwas Kleinere reichte ihr den Arm und meinte in breitem schottischem Akzent: »Entschuldige! Habe dich für einen Fomorer gehalten!«
Obwohl Keelin selbst Schottin war und im Krankenhaus schon ziemlich wilden Dialekten begegnet war, hatte sie Mühe, ihn zu verstehen. Seine Rs rollten wie das Donnergrollen eines schlimmen Unwetters, seine Vokale klangen nach allem, aber nicht nach Englisch.
Keelin ergriff die Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. »Ich denke schon«, erwiderte sie und fragte sich, was wohl ein Fo-Morr war.
Der Größere stellte sich vor: »Ich bin Robb. Der Mann mit derscheußlichen Sprache heißt Malcolm. Wir sind Urquharts. Du brauchst dir keine Sorgen machen, wir sind keine Barbaren, auch wenn wir vielleicht so aussehen. Wir erwarten hier nur normalerweise keine Gäste.«
»Nur Fo-Morra, wie?« Keelin konnte ihre Zunge nicht in Zaum halten.
Die beiden blickten sich an und diskutierten kurz auf Gälisch. Schließlich ergriff Robb erneut das Wort: »Du brauchst keine Angst zu haben. Aber es ist wohl besser, wenn wir dich zu einem unserer Druiden bringen. Der weiß bestimmt mehr mit dir anzufangen als wir!«
Keelin erstarrte. Wie bekannt ihr der Ausspruch vorkam …
Du brauchst keine Angst zu haben …
Sie spürte, wie sich die Haare auf ihren Unterarmen aufstellten. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Männer sagten solche Dinge, um ihre Beute in Sicherheit zu wiegen. Alles in ihr schrie danach davonzulaufen.
Doch was würde es nützen? Die beiden waren ihr körperlich überlegen und kannten sich hier besser aus. Und wohin sollte sie laufen, falls es ihr tatsächlich irgendwie gelang, die beiden abzuhängen? Bisher hatten die Träume immer geendet, bevor sie sich eine solche Frage stellen konnte. Wäre es ihr überhaupt
möglich,
diesen Ort aus eigener Kraft zu verlassen? Was passierte, wenn sie aus dem Tal hinauslief?
Sie wünschte sich nichts mehr als endlich aufzuwachen …
Malcolm murmelte etwas auf Gälisch. Er verschwand im Dorf und ließ Keelin mit Robb alleine zurück. Sie spannte sich an, bereit, sich zu wehren, doch Robb rührte sich nicht. »Wir warten auf Malcolm«, erklärte er nur.
Es dauerte nicht lange, bis dieser zurückkehrte. »Hier«, meinte er zu Keelin und reichte ihr ein silbernes Amulett, wie es auch die beiden trugen.
»Wozu ist das?«
»Es ist ein Schutzzauber gegen böse Geister«, erklärte Robb.
Zögerlich streifte sie sich das Amulett über. Sie war nicht abergläubisch,hielt es jedoch für sicherer, den beiden Männern nicht zu widersprechen.
Malcolm trat vor und griff nach dem Kragen ihrer Jacke. Keelin zuckte zurück, doch der Griff des Mannes war zu stark. »Ruhig, ruhig!«, versuchte Robb, sie zu beschwichtigen. »Wir tun dir doch nichts!«
Mit pochendem Herzen beobachtete sie, wie Malcolm einen Bund Kräuter mit einer großen runden Fibel an ihrer Jacke befestigte. Sie bemerkte, dass beide Männer einen ähnlichen Bund trugen. Der intensive Geruch von Thymian und Basilikum stieg ihr in die Nase, doch sie roch noch weitere Kräuter.
»Auch gegen böse Geister. Es ist gefährlich, während der Samhain-Nacht den Schutz der Kürbisse zu verlassen.«
Genau das taten sie jedoch. Die beiden Männer nahmen sie zwischen sich und folgten einem Pfad am Seeufer entlang durch die Nacht. Während sie liefen, unterhielten sich die beiden Männer leise in ihrer Sprache.
Keelins Gedanken kreisten,
Weitere Kostenlose Bücher