Schattenkrieg
Schattenlords.
Gerade zur rechten Zeit, wie es schien. Rushai stellte eben die Fragen aller Fragen, durch zusammengepresste Kiefer und mit mühsam unterdrückter Wut. »Was – zum Teufel – ist – dort draußen –passiert?« Eine Zornesader pochte auf seiner Schläfe, der Geruch, den er ausströmte, war der eines Raubtiers unter Stress. Unter
viel
Stress.
In Ashkarunas Augen blitzte es kurz gefährlich auf, als ihn der Rangniedrigere so angriff, doch er ging nicht darauf ein. Stattdessen antwortete er in ernstem, nüchternem Tonfall: »Der Faloth-Schwarm hat zwei Tage vor der Schlacht einen Schwarmkrieg ausgelöst. Ich kenne die Ursachen und Gründe nicht, die die Lords Faloth und Karas dazu bewegt haben, aber er hat mich insgesamt mehr als zwölftausend Mann gekostet. Der Feind hat davon erfahren und ist im Gewaltmarsch herangerückt. Meine Raben hätten sie beinahe übersehen! Was hätte ich also tun sollen? Meine Stärke war von dreißigtausend auf achtzehntausend herabgefallen, alle in einem desolaten Moralzustand und erschöpft von den Kämpfen in der Nacht. Ich hatte keine Wahl, ich
musste
die Toten erwecken.« Ashkaruna seufzte, bevor er fortfuhr: »Die Schlacht ist auch so gar nicht schlecht gelaufen. Meine Männer haben den Schildwall der Hexer zweimal durchbrochen. Wenn nicht ihre Kavallerie gewesen wäre, hätte ich gewonnen.«
Rushai schüttelte den Kopf. »Wenn du dich an meinen Schlachtplan gehalten hättest –«
»Dein Schlachtplan«, fuhr ihm Ashkaruna ins Wort, »basierte auf einer intakten Streitkraft inklusive der Karas- und Faloth-Schwärme! Die hatte ich aber nicht mehr zur Verfügung!«
Rushai stürzte den Cognac hinunter und murmelte leise »Prost«, bevor er Mickey das Glas gab und »Noch einen« anordnete.
»Noch einen?«, fragte Jackson, als Mickey bei ihm ankam.
»Noch einen.« Er zog seine Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine in den Mund. Er fragte sich, ob Rushai die Geschichte abkaufte. Mickey hatte Gerüchte gehört, die Ashkaruna zu bestätigen schienen, aber es gab auch die
anderen
Gerüchte, und die waren weitaus weniger schmeichelhaft für den Lord. Unter den Ratten munkelte man, dass Ashkaruna den Streit zwischen den Schwärmen selbst hervorgerufen hatte, um seine Totenzauber wirkenzu können. Als dann das Heer der Hexer um Tage früher aufgetaucht war, als der Lord geplant hatte, hatte das die Erweckungszauber empfindlich gestört und die Kampfkraft der Untoten arg beschnitten. Diese Variante würde bedeuten, dass Ashkaruna sich schlicht und ergreifend verrechnet hätte. Die Niederlage wäre allein seine Verantwortung. Und selbst wenn Ashkaruna die Wahrheit erzählte, wäre es seine Aufgabe gewesen, den Streit zwischen den Schwärmen zu verhindern.
Unter den Ratten hatte Ashkarunas Debakel große Unruhe hervorgerufen.
Sie
waren es gewesen, die in den letzten Jahren gearbeitet und geschuftet hatten, um den Schatten ein so großes Heer zu beschaffen.
Sie
hatten zahllose Schleuseroperationen ins Leben gerufen und waren dabei große Gefahren eingegangen,
sie
hatten letztendlich die Kontakte geschlossen, um die Menschen dann auch zu den Ritualen zu schaffen. Der Verdacht, dass Ashkaruna mit seinem Eigensinn all diese Mühen in den Staub getreten hatte, machte dem Clan schwer zu schaffen.
Die Eingangstür des Clubs öffnete sich, und Mickeys Rudelbrüder Armstrong und Ricky betraten den Raum. Sie hatten seine Fahrt vom Flughafen beschattet und draußen möglichen Verfolgern aufgelauert. Er winkte ihnen kurz zu, bevor er zurück zum Tisch ging und Rushai den nächsten Cognac vor die Nase stellte.
»Verluste?«, fragte der Lord gerade.
»Fast vollständig.« Ashkarunas Analyse war nüchtern, soviel musste man ihm lassen. »Das Heer ist zerschlagen, inklusive der Tross. Die Fomorer, denen die Flucht geglückt ist, sind in der Stadt und im Umland verstreut.«
»Und die Schatten?«
»Die Schwärme Karas und Faloth sind ausgelöscht; falls es Überlebende gibt, trauen sie sich nicht, sich zu erkennen zu geben. Was die restlichen Schwärme angeht – die meisten von uns haben sich von der Schlacht absetzen können, aber wir haben viele bei den Portalen verloren. Renegaten und Hexer haben uns dort am Vorabend der Schlacht empfindlich getroffen.«
Rushai warf Mickey einen vernichtenden Blick zu. Es war die Aufgabe des Clans gewesen, sich zu vergewissern, dass die Renegaten tatsächlich aus der Stadt verschwanden.
Wir haben uns ganz schön verarschen lassen …
Er
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