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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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in diesem Spiel erzielen konnte. Er setzte in einem gespielten Akt der Verzweiflung sein letztes Geld, dann einmal Waffen- und Rüstungsdienst und schließlich eine Nachtwache. Septus, der scheinbar ebenfalls gut geworfen hatte, hielt gierig dagegen und offenbarte ihm schließlich einen Vierling aus Dreiern. Als er Baturix’ Fünfling sah, fiel ihm die Kinnlade nach unten.
    »In die Schattennebel mit dir«, knurrte Septus wütend, als er erkannte, dass er verloren hatte. »Ich bin so ein Narr! Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, dich schlagen zu können? Pah! Baturix der Glückspilz …«
    Aus seinem Mund klang es wie ein Fluch.

DERRIEN
     
    Nordflanke des Jostedalsbreen, Niemandsland, Norwegen
    Dienstag, 10. November 1998
    Die Innenwelt
     
     
    Das Dorf war tatsächlich verlassen, die Kundschafter, die Derrien vorausgeschickt hatte, hatten sich nicht geirrt. Wobei »Dorf« kaum das richtige Wort war für die kleine Ansammlung windschiefer Hütten und leerer Ställe. Hier konnten nicht mehr als dreißig Menschen gelebt haben, und selbst das war wahrscheinlich zu hoch geschätzt. Die Gebäude waren noch nicht lange verlassen. Die Spuren, die von der Flucht ihrer Bewohner zeugten, waren nur wenige Tage alt.
    Alles, was irgendwie von Wert gewesen war, hatten sie mitgenommen – Vieh, Werkzeuge, Waffen, ja selbst Möbelstücke fehlten. Zurückgeblieben waren leere Häuserhöhlen und ein geradezu monströs entstellter Baum.
    Sie hatten sich um ihn herum versammelt, Derrien, seine Druiden und die wichtigeren Hauptmänner der Waldläufer. Zum Schutz vor der eisigen Kälte waren alle dick eingepackt, trugen Gamaschen oder Stiefel aus Fell, lederne Hosen und Umhänge über wollener Unterkleidung. Schon längst hatten Mützen die Helme ersetzt. Es war eisig kalt. Vor den Gesichtern tanzten weiße Atemwölkchen.
    Keiner sprach etwas, niemand wagte es, den anderen in das Gesicht zu sehen. Der Fund, den sie hier gemacht hatten, hatte die Kälte an der warmen Kleidung vorbei direkt in die Herzen der Waldläufer getragen. Der Schock saß tief.
    An den Baum gefesselt war ein Toter. Aber nicht
irgendein
Toter, sondern ein Waldläufer. Valurus war sein Name. Einer von Quintus’ Galliern.
    Jeder wusste, was
das
zu bedeuten hatte.
    Lord Rushai hatte sich nicht damit begnügt, ihren Mann hinzurichten. Er hatte sich darum gekümmert, dass selbst der Dümmste verstand, dass
ihm
diese grausige Tat zuzuschreiben war. Sein Handzeichen war unverkennbar.
    Vor Valurus’ Tod hatten sie ihm ein Auge ausgestochen und einen Schnitt quer durch sein Gesicht gezogen – die gleiche Wunde, die der Schwarze Baum selbst im Schattenwald erlitten hatte. Dann hatten sie seinen Bauch aufgeschnitten und ihn sterbend den Krähen überlassen. Ein ganzer Schwarm von ihnen hatte sich an der Leiche zu schaffen gemacht, bis sie von den Waldläufern aufgescheucht worden waren.
    Die Vögel hatten nicht viel von ihm übriggelassen. Valurus’ Lippen waren genauso verschwunden wie seine Augen, Wangen und Nase, so dass von seinem Gesicht kaum mehr übrig war als ein grinsender Totenkopf. Aus der Wunde in seinem Bauch hatten sie das Gedärm gerissen, und von seinen Eiern war gar nichts mehr zu sehen.
    »Wie viel er davon noch mitbekommen hat?«, wunderte sich Drummond, einer von Derriens bretonischen Gefolgsleuten. »Das arme Schwein!«
    »Die Wunde war nicht tief«, lispelte Murdoch mit seinem üblichen Mangel an Feingefühl. »Es wird einige Zeit gedauert haben, bis er gestorben ist!«
    Derrien ließ seinen Blick den Stamm emporwandern. Es war eine Eiche, obwohl es nicht mehr einfach war, das zu erkennen. Der Stamm hatte sich schwarz verfärbt, er war krumm und gebeugt wie ein alter Mann von einer zu schweren Last. Seine Krone war winterlich kahl, ohne einen einzigen geraden Ast. Durch die Rinde hatten sich Tausende kleiner Dornen nach draußen gebohrt, von denen dicke Harztropfen herabrannen. Der Baum machte ganz den Anschein, als blutete er.
    Derrien war sich ziemlich sicher, dass auch dies zur Nachricht gehörte, schließlich war die Eiche Derriens Baumzeichen. Wütendballte er die Hände zu Fäusten. Rushai würde dafür büßen, für den Mann, für den Baum und überhaupt für alles, was sich in all den Jahren auf dem Konto dieses Hurensohns angesammelt hatte!
    »Was denkt ihr, wie es sich zugetragen hat?«, fragte er schließlich.
    Eine Pause entstand, bis Deweydrydd, weiterhin den Toten anstarrend, antwortete: »Rushai zieht von Dorf zu Dorf und sammelt

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