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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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ich bleibe keine Sekunde länger hier, du bleichgesichtiges Miststück …«
    Der Satz endete mit einem Grunzen, nachdem die kleinere Frau mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zugestürzt war und ihm die Hände um den Hals gelegt hatte. Dreifinger war sicherlich achtzig Pfund schwerer als sie, doch seine Gegenwehr hatte so wenig Erfolg, als hätte er versucht, einen Bären abzuschütteln. Sekunden später hörte er zu strampeln auf und erschlaffte. Die Frau ließ den Bewusstlosen zu Boden sinken. Wo ihre Hände ihn am Hals gepackt hatten, zeichneten sich hellrote Male ab.
    »Kommst du jetzt freiwillig mit, oder müssen wir dich zwingen?«, fragte die Frau mit dem Kragen.
    »Schon gut«, antwortete Cole hastig. »Ich helfe dir sogar dabei.« Er streckte den Kopf vor, damit die Frau ihm den Kragen über den Kopf schieben konnte. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, sich zu ducken und die Flucht zu versuchen, doch ein rascher Blick zum bewusstlosen Dreifinger überzeugte ihn, dass er besser tat, was man von ihm verlangte.
    »Gehen wir«, sagte er. Der Kragen schnappte zu.
    Er wanderte durch eine einfarbige Stadt. Dunkle Schatten waberten vor ihm, erschienen und verschwanden gleich wieder. Nebelfahnen wanden und ringelten sich unter ihm, sodass er die eigenen Unterschenkel nicht mehr erkennen konnte. Eine dichte Nebelwand, die ihn kaum fünf Schritte weit sehen ließ, umschloss ihn. Hinter dem undurchdringlichen Schleier weinten viele Menschen, tausend Seelen gaben ihrem Kummer Ausdruck.
    Etwas strich an seinen Stiefeln vorbei. Er blickte nach unten und versuchte, den unnatürlichen Nebel zu durchdringen.
    Es war eine unglaublich winzige Hand. Sie zuckte einige Male, dann griffen kleine Finger nach ihm. Mit wachsendem Entsetzen sah er zu, wie ein Arm, der zu einer Puppe gehören mochte, aus dem weißen Dunst auftauchte. Dann folgte ein zweiter, bis sich das Wesen über den Boden schleppen konnte. Schließlich erschien der unbehaarte Kopf mit dem bleichen Kindergesicht. Leere weiße Augen starrten ihn an, weit öffnete sich der Mund zu einem gequälten Schrei …
    Der Kragen löste sich, und auf einmal brach die reale Welt über ihn herein. Cole stolperte und wäre beinahe gestürzt. Verwirrt starrte er die Frau vor ihm an, die den Kragen hielt.
    »Was ist da gerade passiert? Wie viel Zeit ist vergangen, seit wir den Turm verlassen haben?« Er sah sich um. Sie standen in einem unterirdischen Gewölbe.
    »Weniger als eine Stunde«, erwiderte die größere der bleichen Frauen, die ihn zu diesem Ort geführt hatten. Inzwischen hatte sie die Kette um den Kragen gewickelt und verbarg die Vorrichtung unter ihren Gewändern. »Was deine anderen Fragen angeht, so steht es dir zu diesem Zeitpunkt nicht zu, in die Geheimnisse von Thelassa eingeweiht zu werden. Wir überlassen dich der Obhut des Nachtmannes. Tu genau das, was er dir sagt. Wenn du ihm nicht gehorchst, werden wir dich zur Rechenschaft ziehen.«
    Die Dienerinnen der Weißen Lady machten kehrt und schwebten in ihren makellosen weißen Gewändern beinahe wie Gespenster davon.
    »Das Unbehagen lässt nie nach«, flüsterte jemand hinter ihm. Cole wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren. Er drehte sich zu dem Sprecher um. Es war der Mann mit der Kapuze.
    »Bist du der Nachtmann?«
    »Ja«, flüsterte die Gestalt. »Ich bin … nicht so wie sie. Ich bin ein Mensch.« Er hob die behandschuhten Hände und warf die Kapuze zurück.
    Cole hatte damit gerechnet, eine grässliche Fratze zu sehen, doch das kantige Gesicht des Mannes hätte manch einer sicherlich als gut aussehend bezeichnet, auch wenn Cole dies kaum beurteilen konnte. Jedenfalls war er anscheinend Ende dreißig, hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar und eine Haut so dunkel wie Ebenholz. Wie Cole ließ er sich unter dem Kinn einen kurzen Bart stehen, in dem einige graue Strähnen zu erkennen waren.
    »Bist du Sumnier?«
    »Ich komme aus Shamaath.«
    Cole überlegte, was er über Shamaath wusste. Das kleine Land lag sogar noch weiter im Süden als Sumnia. Es grenzte an den unendlichen Dschungel, der die absolute Grenze der erforschten Welt darstellte. Dort endete das Sonnenland, und das Unbekannte begann. Shamaath war bekannt für seine Intrigen, die politischen Unruhen und den ausgiebigen Gebrauch von Gift in Kriegs- wie in Friedenszeiten. Und es trug einen berüchtigten Beinamen: das Königreich der Schlangen.
    »Du bist weit von zu Hause entfernt«, bemerkte er. In diesem Augenblick hatte

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