Schattenkrieger: Roman (German Edition)
Schritte bis zu ihrer zusammengesunkenen Mutter – als liefe sie über einen zugefrorenen See, während sie nicht wusste, ob das Eis brechen und die Dunkelheit sie verschlingen würde. Bis es dann eines Nachts geschehen war.
Das war Hilflosigkeit. Was Magnar meinte, war Feigheit. Sie konnte nicht verhindern, dass die Worte aus ihr heraussprudelten. »Du bist der König«, klagte sie ihn an. »Du hättest dich gegen den Schamanen stellen müssen. Wie konntest du zulassen, dass deine eigene Mutter von den Flammen verzehrt wurde?«
Magnars Miene verfinsterte sich. »Du weißt gar nichts«, erwiderte er ärgerlich. Er stand auf und zog sich an.
Auch Yllandris richtete sich auf und griff nach ihren Seidengewändern und dem Schal, die neben dem Bett auf einem Haufen lagen. »Was ist mit Krazka?«, fragte sie leise. »Er hat sie doch vergewaltigt, ehe sie nach Herzstein gebracht wurde. Wie kannst du ihm in die Augen sehen?«
Dieses Mal hielt Magnar seinen Ärger nicht zurück. Er packte ihre Haare am Hinterkopf und zog sie zu sich herum. Seine Augen zeigten kalte Wut. »Krazka ist der mächtigste Häuptling in den Hohen Klippen«, sagte er mit bebender Stimme. »Glaubst du, es fällt mir leicht, auf seine Ratschläge zu hören? Ich täte nichts lieber, als ihm das schwarze Herz aus dem Leib schneiden. Wäre nicht die Abmachung mit dem Schamanen und die Gefahr eines Bürgerkrieges …«
Ein Heulen unterbrach ihn. Es war so laut, dass die Wände des Schlafzimmers zu beben schienen.
»Die Abmachung mit dem Schamanen?« Obwohl Magnars Griff ihr wehtat, war Yllandris neugierig. Natürlich hätte sie ihn mit ein wenig Magie abwehren können, aber das wäre einem Hochverrat gleichgekommen, und der wurde mit dem Tod bestraft. Glücklicherweise bemerkte der König, dass er ihr wehtat. Er ließ los und entfernte sich einen Schritt von ihr.
»Es gibt viele Dinge, die du nicht weißt. Es ist das Beste, du lässt mich jetzt allein. Du nimmst dir zu viel heraus.«
Yllandris wollte ärgerlich knicksen und hinausstürmen, da hörten sie draußen die Rufe und Schreie.
»Was ist los?«, rief Magnar. Seine Leibwächter hatten schon die Hände an die Waffen gelegt und starrten zum Himmel, als könnten ihre angestrengten Blicke das Schneetreiben durchdringen, das aus der dunkelgrauen Wolkendecke herabwallte. Yllandris stand schaudernd neben dem König. Es war Spätnachmittag, aber bei dieser schlechten Sicht während des Schneesturms hätte es auch Mitternacht sein können.
»Wir werden angegriffen«, rief ein Krieger in der Nähe. Er hatte den Langbogen gespannt und war bereit, jederzeit den Pfeil fliegen zu lassen. »Es hat völlig überraschend zugeschlagen, Varamus in den Himmel gezogen und ihn in der Mitte zerrissen.«
»Es hat mein Mädchen geschnappt«, schrie eine Frau. Sie hockte im tiefen Schnee auf den Knien und barg den Kopf in den Händen. Ein Dutzend Männer tauchte aus dem Schneegestöber auf, alle hatten die Pfeile in die Bogen gelegt und waren kampfbereit. Der größte, es war Yorn, kam zu ihnen.
»Zwanzig sind schon tot. Der Dämon zerrt sie in die Luft hinauf und verstreut die Leichenteile in der ganzen Stadt. Wir können nicht genau zielen.« Er schüttelte den Kopf und spuckte aus. »Jedenfalls ist das Ungeheuer riesig. Flügel wie eine Fledermaus und Klauen, die einen Mann in Stücke reißen können.«
»Ruft hundert Männer zusammen«, befahl Magnar. »Teilt sie in Gruppen zu jeweils fünf Kriegern auf. Sie sollen jeden Winkel der Stadt absuchen, bis der Feind entdeckt ist. Yllandris, hole deinen Zirkel. Ich will, dass dieser Dämon vom Himmel gefegt wird.«
Sie gehorchte sofort und eilte zu dem kleinen Hügel, der den westlichen Teil von Herzstein überblickte. Wie es der Zufall wollte, waren Shranree und zwei weitere Hexen bereits auf dem Weg zum Großen Langhaus. Beinahe prallte sie mit ihnen zusammen, als sie ihnen entgegenlief.
»Schwester, was ist hier los?«, fragte Shranree, die keuchend um Atem rang. Dann runzelte sie auf einmal die Stirn. »Ich muss schon sagen, für dieses unfreundliche Wetter bist du sehr unzulänglich bekleidet.«
Yllandris seufzte. Sie hatte gehofft, die Konfrontation mit dem Tod bei Mehmons Verurteilung hätte Shranree die Hochnäsigkeit ein wenig ausgetrieben, aber die Anführerin des Zirkels von Herzstein zeigte sich herablassend wie eh und je. »Wir werden angegriffen«, erklärte sie. »Ein fliegender Dämon macht den Himmel unsicher. Ich glaube, es ist dasselbe
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