Schattenkrieger: Roman (German Edition)
anzulegen.
»Den Legenden nach sind die Vorväter unsterblich«, berichtete Brianna. »Sie altern und sterben nicht wie wir. Ich vermute, in dieser Hinsicht sind sie den Magierfürsten ähnlich.«
Isaac schüttelte den Kopf. »Auch Magierfürsten wurden als Menschen geboren. Die Vorväter sind anders. Welchen Nutzen hätten die Götter für sie? Oder das Gold oder die Besessenheit der Menschen, sich, äh, fortzupflanzen? Die Zeit bedeutet ihnen nichts. Kein Wunder, dass sie über das Meer abgereist sind, als die Menschheit an Macht gewann.«
»Sind sie abgereist oder geflohen?« Brianna zog eine Augenbraue hoch.
Isaac schenkte ihr sein alltägliches Lächeln. Sasha fand jedoch, dass noch etwas anderes darin lag, das sie noch nie bemerkt hatte. Es schien beinahe … spöttisch. »Die Vorväter sind sicher nicht vor den Menschen geflohen. So wenig, wie wir vor einer Rattenplage fliehen würden. Wir sind durch die Ketten unserer eigenen Sterblichkeit gefesselt. Was wird aus einem Menschen, wenn man ihn von diesen Fesseln befreit? Wenn er genug Zeit hat, kann er alles werden, was er will. Kannst du dir ein Volk von solchen Wesen vorstellen?«
»Magie ist mächtig«, erwiderte Brianna. »Selbst die Vorväter müssen diese Macht respektieren.«
Isaac schwieg eine Weile. Als er weitersprach, war der eigenartige Unterton verschwunden. »Das ist wohl wahr. Aber heute gibt es nicht mehr viel Magie, und die Legenden besagen, dass die Vorväter über beträchtliche eigene Kräfte verfügten.«
Drüben, wo die beiden Hochländer, Dreifinger und der Shamaather saßen, tat sich etwas. Soweit Sasha erkennen konnte, versuchten die vier Männer, einander im Grimassenschneiden zu überbieten. Sie nahm an, dass Jerek den Sieg davontragen würde, aber der neue dunkelhäutige Gefährte aus dem Süden war ein ernst zu nehmender Gegner.
»Zeit für ein Lied«, verkündete Brodar Kayne. »Ich habe schon lange nichts mehr zu hören bekommen, das meine alte Knochen in Bewegung brachte.«
»Das kann ich nicht versprechen«, erwiderte Isaac. »Aber es wäre mir eine Ehre zu spielen. Wo ist meine Laute?«
Offensichtlich verlegen wich Cole ein paar Schritte zur Seite aus. In Sasha keimte ein ganz bestimmter Verdacht. »Cole, du hast die Laute hierher gebracht. Wo hast du sie abgelegt?«
»Da drüben.« Er deutete auf das Bündel mit Kleidern, Nahrungsmitteln und anderen Gegenständen, die sie ans Ufer transportiert hatten.
Isaac ging zu dem Stapel mit Vorräten. »Es war schwierig, mir einen passenden Namen auszudenken«, erklärte er. »Am Ende entschied ich mich für ›Eine Ode an die Überlebenden‹.«
»Die Überlebenden?« Brodar Kayne zog eine Augenbraue hoch.
Isaac bückte sich, um die Laute aufzuheben. »Mir scheint, ihr alle habt sehr gelitten, um bis hierher zu gelangen. Ich meine, ihr habt schreckliche Dinge erlebt und könnt nun über sie berichten. Das ist doch wirklich sehr inspirierend … was ist das?« Entsetzt riss der Diener die Augen weit auf. »Meine Laute … zwei Saiten sind gerissen, und sie ist voll Wasser!«
Cole räusperte sich. »Sie, äh, sie ist mir versehentlich in den Kanal gefallen, als ich das Boot entladen habe.« Alle drehten sich um und starrten ihn an. Er schien unter den Blicken förmlich dahinzuschwinden. »Was ist? Es war ein Missgeschick.«
Brodar Kayne schüttelte langsam den Kopf. Jerek wandte sich ab und spuckte aus. Brianna musterte ihn missbilligend. Der dunkelhäutige Mann aus dem Süden blickte zum Himmel. Isaac starrte sein zerstörtes Instrument an. Jetzt schien sogar ein Anflug von Zorn die sonst eher langweiligen Gesichtszüge zu verändern.
»Das hast du absichtlich gemacht!«, klagte Sasha Cole an. »Ich kann das nicht glauben. Gerade als ich dachte, du würdest dich ändern.«
»Aber es war ein Unfall! Ich schwöre dir, sie ist mir aus der Hand gerutscht und …«
»Hör auf mit dem Mist, Junge.« Das war Dreifinger. »Ob absichtlich oder nicht, du bist eine Niete. So sieht es eben aus. Wir haben alle gelacht, als du an Bord der Erlösung den Helden gespielt hast, wusstest du das?« Er beugte sich vor und verzog das entzündete Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. »Warum sagst du dem Mädchen nicht, was du wirklich für sie empfindest? Deine Aussichten, bei der Weißen Lady deinen Schwanz anzufeuchten, stehen besser als bei ihr. Ich würde sagen, das Mädchen kneift die Beine fest zusammen. Genau wie den hübschen Arsch.«
Briannas Miene verdüsterte sich zusehends,
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