Schattenkrieger: Roman (German Edition)
»Du warst nur einen Monat weg, aber es fühlte sich an, als wäre es länger gewesen … was tust du da?«
Cole beugte sich vor und küsste sie auf den Mund. Panisch warf sie den Kopf zurück und versetzte ihm eine Ohrfeige. Das Klatschen kam ihm vor wie ein donnernder Steinschlag. Er hob eine Hand an die Wange und starrte sie verletzt an.
»Ich dachte …«, begann er, doch sie unterbrach ihn mit einem aufgebrachten Knurren.
»Du dachtest, du könntest mich hier umgarnen und mein Mitgefühl wecken, was? Ist es das? Hattest du das von vornherein so geplant?«
»Was? Nein, Sasha, natürlich nicht …«
»Du wirst dich nie ändern, was?« Kochend vor Wut starrte sie ihn an. Die Dunkelheit breitete sich auf einmal aus, erfüllte ihren Kopf und weckte in ihr den dringenden Wunsch, wegzulaufen und alles niederzumachen, was sich ihr in den Weg stellte. »Du bist ein Arschloch, Cole«, fauchte sie. »Dein Vater würde sich für dich schämen. Garrett natürlich auch.«
Sie drehte sich um, stürmte zu den anderen zurück und ließ ihn mit offenem Mund stehen.
Wie sich herausstellte, waren dies auch die letzten Worte, die sie zu ihm sagen sollte, ehe er ihre Kriegertruppe verließ und sich auf den Weg zum Heerlager vor den Toren Dorminias begab.
Der letzte Marsch
Brodar Kayne hatte im Laufe seines Lebens schon einige Heere gesehen, aber die Truppe, die ihn erwartete, als die Liebkosung einen Tagesmarsch westlich der Grauen Stadt vor Anker ging, war wirklich ein bemerkenswerter Anblick. So weit das Auge reichte, ankerten Schiffe vor der Küste. Karacken und Galeeren lagen Seite an Seite, während ein stetiger Strom kleiner Ruderboote die drei sumnischen Söldnerkompanien ans Ufer brachte.
Das größte Schiff führte eine Flagge, auf der eine erstaunlich schöne Frau auf weißem Untergrund abgebildet war. Darunter stand mit Silberfaden in Schreibschrift der Name: Glück der Lady.
Dem alten Hochländer stockte der Atem, als er auf das Deck des Flaggschiffs starrte. Er blinzelte, um sicher zu sein, dass ihn die Augen nicht trogen. Der Mann, der auf dem Vorderdeck stand, konnte niemand anders als General Zahn sein. Aus dieser Entfernung glaubte Kayne, einen der Riesen zu erblicken, die in den Hohen Klippen umgingen. Der Hüne war von der Hüfte aufwärts nackt und stützte sich auf einen großen goldenen Speer, der die meisten Hochländer überragt hätte.
»Das ist der General«, murmelte der Nachtmann neben ihm. Der Shamaather hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen, sodass nur noch die Augen sichtbar blieben.
Kayne schüttelte staunend den Kopf. »Ausnahmsweise hat der Bursche einmal nicht übertrieben.« Davarus Cole hatte sie am Vorabend verlassen. Er war wenige Meilen östlich der Stadt von Bord gegangen, um seine Mission zu erfüllen. Dabei hatte er ungewöhnlich bedrückt gewirkt, was angesichts seiner Neigung, wegen aller möglichen Dinge viel Aufhebens zu machen, erstaunlich schien. Auch das Mädchen war anscheinend schlechter Laune. Zwischen den beiden war offenbar irgendetwas vorgefallen, aber er wollte seine Nase nicht in Dinge stecken, die ihn nichts angingen. Außerdem hatte er eine Aufgabe zu erledigen.
Es war nicht so, als hätte er Briannas Aufforderung ablehnen können. Nicht nachdem sie ihnen das Leben gerettet hatte. Nicht nachdem sie ihnen fünfzig Goldstücke versprochen hatte, falls er und Jerek dabei halfen, den Tyrannen von Dorminia zu stürzen. Unter diesen Umständen war es nur recht gewesen, Magierfluch zurückzugeben. Auch in dieser Hinsicht hatte er im Grunde keine Wahl gehabt. Seiner Erfahrung nach konnte man einen Magier mit Worten allein sowieso nicht bezwingen.
Wenigstens war Brianna eine angenehme und vertrauenswürdige Person. Sie war sogar eine schöne Frau, wenn er ehrlich war, und er sah keinen Grund, wegen solcher Gedanken Schuldgefühle zu entwickeln. Außerdem gab es ohnehin keine Gewissheiten im Leben. Die Aussicht, einen niederträchtigen Magierfürsten zu vertreiben, war eine Aufgabe, die ihm so lohnend schien wie alle anderen, die er je übernommen hatte.
Die Karavelle, auf der er fuhr, hatte keinen großen Tiefgang und ankerte nahe am Strand. Deshalb konnte Kayne sich einfach ins Wasser hinablassen und an Land waten. Jerek und der Nachtmann sprangen hinter ihm herunter. Das Wasser reichte ihm bis zur Hüfte, aber die Nachmittagssonne war ungeheuer heiß, und das Bad war eine willkommene Erfrischung.
Neugierige Gesichter drehten sich zu ihnen herum, als sie mit
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