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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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dreißig Jahre lang über das Gebrochene Meer gesegelt. Ich war an der Ertrunkenen Küste, habe die Ruinen des alten Andarr gesehen und bin sogar noch weiter nach Westen gekommen, bis auf das Unendliche Meer hinaus. Aber bis zu diesem verfluchten Ort habe ich mich noch nie gewagt. Es heißt, die Dünung sei der Ort, wo Malantis aus dem Himmel gestürzt ist. Dort liegt sein Leichnam und verwest bis heute.«
    Der alte Seebär flüsterte nur noch. Cole hatte Mühe, ihn zwischen dem angestrengten Holzknarren drinnen und dem Wellengemurmel draußen zu verstehen.
    »Dort kann ein Schiff fröhlich dahinsegeln, und im nächsten Augenblick ist es zwanzig Fuß unter Wasser. Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Ich habe von Schiffen gehört, die auf einem Wellenkamm gelaufen und gleich darauf hundert Fuß oder mehr ins Wellental dahinter hinabgestürzt sind. Der Herr der Tiefe mag ja tot sein, aber Ruhe findet er nicht in seinem nassen Grab. Sein Zorn ist unerbittlich, erzählt man sich, und er versenkt jedes Schiff, das sich in die Nähe seines nassen Grabes wagt.«
    Cole schauderte genau wie die anderen Gefangenen, die hören konnten, was der betagte Matrose erzählte. Gefahr war eine Sache. Darauf konnte man sich einstellen und vielleicht überleben. Was der alte Seemann beschrieb, lief jedoch darauf hinaus, mit der See selbst um das eigene Leben zu wetten.
    »Das ist Selbstmord!«, keuchte er.
    Dreifinger grinste und zeigte ihm seine krummen gelben Zähne. »Ich hoffe, die Ärsche wissen, worauf sie sich da eingelassen haben.«
    Auf einmal flog mit einem Knall die Luke über ihnen auf, und helles Sonnenlicht fiel in den Laderaum. Blinzelnd vertrieb Cole die Tränen, die in seinen Augen brannten. Sobald er wieder klar sehen konnte, entdeckte er das wettergegerbte Gesicht des Ersten Maats Vargus, der zu ihnen herabstarrte. Der Schweiß rann in kleinen Bächen über den kahlen Kopf und die vernarbten Wangen.
    »Kapitän Kramer befiehlt euch alle an Deck«, bellte er. »Wir kommen runter und öffnen eure Ketten. Wer aussieht, als wollte er Schwierigkeiten machen, wird sofort an die Fische verfüttert.«
    Er verschwand, eine Strickleiter fiel herab, und dann kletterten vier mit Kettenhemden und Langschwertern gerüstete Wächter in den Laderaum herunter.
    Cole spielte mit dem Gedanken, den Soldaten zu überwältigen, der ihm die Fesseln löste, doch ein Blick zur offenen Luke zeigte ihm, dass Falcus und ein halbes Dutzend weitere Wächter mit angelegten Armbrüsten aufpassten. Der abschätzende Blick des jungen Splitters wich einem verlegenen Grinsen, als der Augmentor ihn ins Auge fasste. Cole schluckte schwer und sah sofort in eine andere Richtung.
    Zehn Minuten später waren die Gefangenen eng gedrängt auf dem Hauptdeck angetreten. Die Roten Wächter hatten sie umzingelt, alle hielten die Schwerter bereit. Kapitän Kramer stand auf dem Vorderdeck. Falcus hatte sich rechts neben ihm aufgebaut und wiegte seine Armbrust, als suchte er nur nach einem Vorwand, jemanden zu erschießen. Vargus brütete links neben dem Kapitän.
    Kramer stützte die Hände auf die Reling des Vorderdecks und musterte die unter ihm versammelten Männer. Die Anstrengungen der letzten Zeit hatten auch ihm zugesetzt. Er war schmal, fast zerbrechlich. Das graue Haar war sehr kurz geschnitten, und das verwitterte Gesicht war müde. Trotzdem klang seine Stimme kräftig und klar.
    »Inzwischen wisst ihr alle, wohin wir fahren«, sagte er laut. »Wir fahren zur Dünung, also zu einem Ort, der angeblich von dem ruhelosen Geist des Herrn der Tiefe heimgesucht wird. Das mag zwar sein, aber wir sind aus einem bestimmten Grund hier. Viele von euch sind verurteilte Sträflinge, die sich entschieden haben, lieber an dieser Reise teilzunehmen, als die Henkersschlinge oder die Axt des Scharfrichters zu spüren. Einige von euch sind freie Männer, die den Mut aufgebracht haben, ihr Leben zu riskieren, um ein Vermögen zu gewinnen. Ich achte euch für eure Tapferkeit. Ich selbst bin hier, weil ich Dorminia und unseren Herrscher enttäuscht habe. In seiner Weisheit und Gnade hat Salazar mir jedoch eine Gelegenheit gegeben, mich zu bewähren. Ich werde ihn nicht noch einmal enttäuschen.«
    Cole sah sich um, während Kramer seine Ansprache hielt. Der Wind pfiff unablässig, der Hauptmast schwankte, und über ihnen blähten sich die Segel. Die Flagge der Erlösung hatte einen weißen Untergrund, auf dem die Waffen der Roten Wache abgebildet waren. Der Obelisk war jedoch

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