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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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einen übergroßen Apfel erinnerte, der in einem Bündel Pelze steckte. Yllandris verkniff sich gerade noch ein belustigtes Schnauben. Die alte Agatha warf ihr einen vernichtenden Blick zu. An ihrer lächerlichen Nase hing eine Perle aus gefrorenem Rotz.
    Yllandris konnte die beiden Hexen nicht ausstehen, aber sie musste den stärkeren Angehörigen ihres Zirkels gehorchen. Nicht mehr lange, dachte sie. Eine Königin beugt vor niemandem das Haupt. Dann erinnerte sie sich an den Schamanen und den vor ihm katzbuckelnden Magnar, und ihre Vorfreude schwand dahin.
    »Wir begleiten die Krieger an der Spitze des Zuges«, verkündete Shranree. Die Kapuze dämpfte ihre Stimme. »Unsere Verbündeten aus der Seemark und der Ostmark werden sich darauf konzentrieren, die Bedrohung durch den feindlichen Zirkel auszuschalten«, fuhr sie fort und betrachtete der Reihe nach die sechs Frauen. »Wir werden unterdessen Feuer auf die Stadt regnen lassen. Unsere Aufgabe ist es, die Männer, Frauen und Kinder aus den Hütten zu treiben, damit unsere Krieger sie niedermachen können.«
    Yllandris war dabei nicht wohl. »Ich erkenne nicht, wie die Ermordung von Kindern etwas nützen soll. Welchen Anteil haben sie denn an der Rebellion?«
    Die alte Agatha stieß mehrere vorwurfsvolle Laute aus. »Weißt du denn gar nichts über unsere Geschichte, Mädchen? Ein böser Same muss zerstört werden, damit er nicht die ganze Herde verdirbt.«
    Shranree nickte, dass die fetten Wangen schwabbelten. »Die Kinder der Verräter nähren das gleiche Gift an ihrem Busen, wenn sie heranwachsen. Sie müssen sterben.«
    »Du warst zu jung und unerfahren, um bei der Vernichtung von Beregund mitzuwirken«, fuhr die alte Agatha fort. »Jetzt hast du die Gelegenheit, dich zu bewähren. Ein Versagen gefährdet den ganzen Zirkel.«
    Yllandris betrachtete die alte Frau. »Ich werde euch nicht enttäuschen.«
    Shranree lächelte gönnerhaft. »Ich bin sicher, dass du deine Sache gut machen wirst. Nun denn, die Männer bereiten sich gerade auf den Angriff vor. Wir sollten ihnen Gesellschaft leisten.«
    Yllandris wischte sich die Schneeflocken aus dem Gesicht, zog den Wolfsfellmantel enger um sich und folgte den Schwestern zu den Kriegern.
    Das Licht erstarb. Unablässig fiel der Schnee.

    Wie Herzstein lag auch Frostwehr am Ufer eines großen Sees. Im Gegensatz zu der Hauptstadt und den benachbarten Gemarkungen, die zusammen die als Herzland bezeichnete Region bildeten, hatte der Frühling hier im hohen Norden noch nicht Einzug gehalten. Die Nordmark war gefroren und würde es bis auf einen nur zwei Monate währenden Sommer auch bleiben.
    Yllandris sah zu, wie ihr Atem als Dunst in der kalten Nachtluft stand, während sie und die anderen Hexen sich den hohen Holztoren näherten. Sie bemerkte keine Wächter, die dort Dienst taten, sondern nur zwei formlose Bündel neben dem linken Torpfosten, auf denen sich der Schnee sammelte. Anscheinend hatten die Brüder insgeheim schon mit ihrem Werk begonnen.
    Krazka betrachtete das Tor mit seinem gesunden Auge und wandte sich an Shranree, die vor der Kriegertruppe neben ihm und Orgrim Hammertod watschelte. »Spreng das verdammte Tor auf«, verlangte er. »Lass sie wissen, dass wir hier sind.«
    »Ich würde meinen, das wissen sie längst«, erwiderte Orgrim. Hinter dem Tor flackerte ein Licht, dann knirschten Stiefel im Schnee.
    Alle hoben die Waffen. Yllandris forschte tief in ihrem Inneren, um die Kräfte zu wecken, die in ihren Adern pulsierten, und sie in die Fingerspitzen zu leiten. Ihre Schwestern taten das Gleiche.
    Man hörte, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde. Ganz langsam und knarrend gingen die Torflügel auf …
    Vier zerlumpte Gestalten kamen zum Vorschein: ein Mann, eine Frau und zwei Mädchen. Yllandris kniff die Augen zusammen. Sie glaubte, den Mann schon einmal gesehen zu haben.
    Mehmon.
    Es war tatsächlich der Häuptling der Nordmark, aber er war nicht mehr die beeindruckende Gestalt, die vor einigen Monaten beim König um eine Audienz nachgesucht hatte. Damals war er ein stolzer Krieger gewesen, mit breitem, ungebeugtem Rücken, obwohl der lange Bart schon von Grau durchsetzt war.
    Jetzt war er ein gebrochener alter Mann. Er humpelte auf sie zu. Sein Bart war rein weiß, der zerbrechliche Körper hatte die Kraft verloren, die ihn in früheren Jahren zu einem gefürchteten Krieger gemacht hatte.
    Nachdem sich die Verwirrung gelegt hatte, hob Krazka die Hand. »Mehmon? Bist du es? Du siehst aus wie etwas,

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