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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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herein. »Wir sind angekommen. Folge mir«, sagte sie. Cole erhob sich von der winzigen Koje und folgte ihr auf das Deck. Draußen blieb er wie angewurzelt stehen.
    Bisher hatte Cole sich noch nie weit von Dorminia entfernt, aber er hatte oft mit Händlern und anderen gesprochen, die die Stadt der Türme besucht hatten, und deren Geschichten für übertrieben und höchst unglaubwürdig gehalten.
    Jetzt schien das alles gar nicht mehr so weit hergeholt. Dorminia war eine chaotische Ansammlung von Gebäuden, die so hastig zusammengebaut waren, dass sie anscheinend gleich wieder zusammenbrechen konnten, wenn man ein paar graue Steine nach ihnen warf. Thelassa dagegen war das nach dem Himmel greifende Zeugnis der geschicktesten Architekten aus dem Zeitalter des Streits. Zierliche Türme stachen in die Wolken, zwischen ihnen verliefen breite Prachtstraßen aus weißem Marmor, die in der Morgensonne schimmerten. Längs der makellos sauberen Straßen standen Bäume und Büsche, die zu wundersamen Formen geschnitten waren: Greife, Einhörner und andere Wesen, die angeblich vor dem Götterkrieg noch die Welt durchstreift hatten. Jetzt gab es in den Wäldern nördlich und westlich des Trigon nichts mehr außer etwas Wild, und selbst diese Tiere verschwanden nach und nach.
    »Traumhaft«, flüsterte er ehrfürchtig. Jetzt verachtete er Salazar mehr denn je, denn seine graue Stadt und die harsche, tyrannische Herrschaft raubten den Untertanen den Lebensmut. Dieser Ort hier war der Beweis, dass die Menschheit doch noch erlöst werden konnte.
    »Lass die Finger von mir, du mit Pocken verseuchte Hure«, knurrte Dreifinger zornig. Er wurde gerade auf die Rampe getrieben, die das Schiff mit der Mole verband, wo Cole bereits wartete.
    »Du lebst ja noch!«, rief Cole. Er konnte nicht anders, er musste grinsen. Der Mann hob den Kopf und grunzte zum Gruß. Auf dem Deck tauchten nach und nach die anderen Überlebenden der Erlösung auf, doch ehe er einzelne Gesichter erkennen konnte, packte ihn jemand am Arm und drehte ihn herum. Er keuchte. Der Griff war lächerlich fest, die Hand unglaublich kalt. Zum Glück wurde sie fast sofort zurückgezogen, doch sie hinterließ einen brennenden Schmerz, wo die Finger seine Haut berührt hatten. Vor ihm stand die bleiche Frau, die ihn als Erste angesprochen hatte, sobald er an Bord der Glück der Lady das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Inzwischen wusste Cole, dass sie der Kapitän war.
    »Du begleitest mich zur Weißen Lady«, befahl sie. »Versuche nicht zu fliehen. Du würdest nicht weit kommen, und die Konsequenzen wären sehr unangenehm.«
    Cole rieb sich den Arm. Nachdem die Frau derart zugepackt hatte, war ihm ein wenig übel. »Ich stehe auf eurer Seite«, erklärte er vorwurfsvoll. »Ich verachte Salazar. Nichts würde mich mehr freuen, als zu seinem Sturz beizutragen.«
    Die Frau starrte ihn mit ausdrucksloser Miene an. »Das soll meine Herrin entscheiden. Bleibe dicht bei mir. Der Palast ist nicht weit entfernt.«
    Cole tat, wie ihm geheißen, und folgte ihr eine breite Promenade hinunter, die mit Eichen und Ulmen gesäumt war. An einer Kreuzung bogen sie nach rechts ab und gingen im Schatten zweier großer Standbilder weiter, die menschliche Körper mit aufgesetzten Stierköpfen zeigten.
    Das Erstaunen, das er schon beim ersten Anblick der Stadt empfunden hatte, wich Bewunderung. Er atmete tief ein und nahm die unzähligen Blütendüfte in sich auf, die ihn den Fäkaliengestank, den er aus der Grauen Stadt kannte, vergessen ließen.
    Wie schaffen sie das nur? Eine Stadt von der Größe Dorminias, die wie ein Garten duftet.
    Sie kamen an Männern und Frauen vorbei, die ihnen neugierige Blicke zuwarfen. Im Gegensatz zu den ständig finster dreinblickenden Dorminianern strahlten die Einwohner Thelassas Zufriedenheit aus. Ein Mann lächelte und verbeugte sich leicht vor der Kapitänin der Glück der Lady. Cole bemerkte andere Frauen, die ihr ähnelten. Sie waren bleich wie Gespenster und hatten Augen, die keinerlei Farbe aufwiesen. Alle trugen die langen weißen Gewänder ihres Ordens.
    Unterwegs blickte er oft nach oben und bewunderte die majestätischen Türme. Es waren zierliche und hohe Gebäude, neben denen der Obelisk hässlich und gedrungen gewirkt hätte. Wahrscheinlich, so vermutete er, waren dies die Behausungen der Adligen und der herrschenden Klasse. Im Gegensatz zu Dorminia, wo das Edle Viertel streng vom Rest der Stadt getrennt war, standen hier kleine Häuser und die Türme

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