Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
ich einen neuen Job in Aussicht hätte, nämlich im Personenschutz, hielt sich ihre Freude in Grenzen. Keine Ahnung, was sie dachte. Wahrscheinlich, wie enttäuscht Dad wieder sein würde in seinem eng begrenzten Horizont.
Aber für mich war es ein Sprung. Ich war ehrgeizig, ich war fleißig, und ich war verlässlich. Ich wurde von einer bedeutenden Firma im Personenschutz angenommen und durchlief eine Ausbildung, die gar nicht allzu weit entfernt vom militärischen Drill war. Trotzdem war ich mein eigener Herr, das ist der Unterschied, und ich konnte mich mit meinen Ausbildern und Vorgesetzten gegenüber austauschen und hinterfragen, was mir nicht klar war.
Zu Beginn betreute ich Geschäftsreisende. Das war relativ einfach: vom Flughafen abholen, ins Hotel begleiten oder selbst fahren – was meistens der Fall war – und wieder zurück. Mehr Chauffeurdienst. Es gab schon welche, die echten Personenschutz benötigten, weil sie sich in Kreisen bewegen, von denen du und ich nichts wissen wollen. Doch für die standen Spezialleute zur Verfügung, und es war okay, als ich ablehnte, solche Aufträge zu erhalten. Die in der Firma waren Profis, die kannten sich sehr gut damit aus. Mein unmittelbarer Vorgesetzter machte sich durchaus lustig über meinen Idealismus, aber er setzte mich immer genau an den richtigen Stellen ein.
Ich war gut. Also bekam ich schließlich die Großen: Milliardäre, Stars und ab und zu auch in Ungnade gefallene Autoren, um es möglichst unverfänglich auszudrücken. Ab jetzt arbeitete ich nicht mehr allein, sondern mindestens zu zweit, meistens waren wir fünf bis sechs. Nicht ganz einfach, im Team zu arbeiten, da wir alle Einzelkämpfer waren, doch wir rauften uns mit der Zeit zusammen und waren gut eingespielt. Wir liefen wie im Film mit diesen Ohrstöpseln rum, mit schwarzen Anzügen und dunklen Sonnenbrillen. Man sollte uns erkennen, und das Rätselraten, ob wir »Offizielle« waren oder nicht, war beabsichtigt. Potenzielle Wirrköpfe sollten dadurch abgeschreckt werden, unserem Schützling zu stark auf die Pelle zu rücken. Aber auch wenn wir uns mal »ziviler« zeigen durften, hatten wir strikte Anweisung, immer wie aus dem Ei gepellt zu sein. Unser Auftraggeber hatte schließlich einen Ruf.
Der Job hat Spaß gemacht. Ich bewegte mich in Kreisen, die einem Normalsterblichen wie mir sonst nie vergönnt gewesen wären. Korrumpiert wurde ich dadurch nicht, ich habe meine Arbeit immer ernst genommen, habe Geld auf die hohe Kante gelegt und meinen Eltern einen Anteil geschickt. Diese neue Welt, die ich repräsentierte, verstanden sie allerdings nicht; sie wollten nichts damit zu tun haben. Es war ihnen unheimlich. Sie hatten Angst, dass ich meine Herkunft vergessen oder gar verleugnen würde.
Der einzige Nachteil in diesem Job ist, dass du immer neutral sein musst, und dass dich niemand als Menschen wahrnimmt. Du bist der Kerl mit der Knarre und den coolen Kampfsportposen, steckst in einem knitterfreien Anzug, und deine Augen sieht man selten. Solche Filme wie »The Bodyguard« sind deshalb Schwachsinn. Du bist schließlich der Unsichtbare im Hintergrund, wer sollte dich bemerken? Es ist deinen Schutzbefohlenen sowieso unangenehm genug, dass du mit ihnen bis vor die Klotür marschierst, also übersehen sie dich geflissentlich.
Na ja, in gewisser Weise nehmen sie dich schon wahr. Ich hatte irgendwann wie die meisten meiner Kollegen einen festen Kundenstamm, weil viele mich immer wieder buchen wollen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier; irgendwie wollen sie alle etwas Vertrautes haben, wenn sie irgendwo ankommen. Vor allem diejenigen, die von Hotel zu Hotel reisen, immer beschäftigt mit Tourneen oder Handelsbeziehungen. Also fragen sie dich eines Tages nach deiner Visitenkarte, und dann buchen sie dich regelmäßig. Sie gewinnen Vertrauen zu dir, wo sie sonst immer misstrauisch sein müssen.
Und sie empfehlen dich.
Eines Tages rief ich zu Hause an. »Dad«, sagte ich, »ab morgen wird dein Sohn den Präsidenten der Vereinigten Staaten und seine Familie beschützen.«
»Diesen Demokraten?«, erwiderte er. »Wie kannst du nur?« Und damit legte er auf.
So bekam ich es zurück: Als Marine kannst du den Präsidenten nicht auswählen, dem du dienst. Als Bodyguard schon.
Ich starrte auf das Telefon, fassungslos, verwirrt, voller Hass und Wut. Wahrscheinlich hätte Dad mir erst dann verziehen, wenn ich als Kandidat für die Republikaner zur Präsidentenwahl angetreten wäre. Oder auch dann
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