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Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde

Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde

Titel: Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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»Fremdwort« gar nicht. Zweitens, es war das zentrale Thema des Fluchs, die Ursache oder der Auslöser. Und Letzteres erschien Laura am wahrscheinlichsten.
    Nur eben war das immer noch nicht die richtige Frage. In diesen Dingen war die Magie sehr kleinkrämerisch. Erbsenzählerisch. Fitzelig. Irgendwie musste der Fluch sich selbst schützen – auch wenn Fokke glaubte, er würde es auf seine eigene Weise tun. Aber nur, weil er seinen Zustand inzwischen genoss, musste das nicht bedeuten, dass er sich auf ewigen Schutz verlassen konnte. Oder seinen Fluch im Griff hatte.
    Ich kriege dich. Das war inzwischen zu einem Mantra geworden. Nur noch eine Frage.

    Liebe. Es hätte anders sein können. Doch wie so oft war es das stärkste Gefühl der Welt, welches das größte Unglück auslöste. Es hätte auch sein Gegenpol, der Hass, sein können, doch der war schon mehrmals in ihrem Duell zutage getreten. Fokke ernährte sich wahrscheinlich unter anderem von Hass.
    War es eine unerfüllte Liebe gewesen, eine unerwiderte? Hatten zunächst die Glocken geläutet, und dann waren ihm Hörner aufgesetzt worden? Oder war er der Betrüger gewesen? Hatten andere, wie bei Romeo und Julia, ein Zusammenkommen verhindert? Hatte der Tod sie auseinandergerissen? Durch eigenes oder Fremdverschulden?
    Und ... wer war es gewesen? Eine Frau? Oder etwa ein Mann? Zu seinen Zeiten wäre die Zuneigung zu einem Mann, so sie bekannt geworden wäre, vor allem von einem Kapitän, äußerst fatal gewesen.
    Ach was, das war nach wie vor bei aller angeblichen Toleranz bei Seeleuten unvorstellbar.
    Sicher ging nahezu jeder davon aus, dass bei monatelanger Seereise nur unter Männern irgendwann alle schwul waren, insofern sie keine Ziegen an Bord hatten. Zölibat, Schwachsinn, das hatten ja die Priester noch nie durchgehalten. Nur echte Asketen konnten derartigen dauerhaften Verzicht üben. Doch diese lebten nicht in einer engen Gemeinschaft auf hoher See, sondern in freiwilliger Isolation. Da war es leichter, standhaft zu bleiben.
    Es mochte vielleicht stillschweigend geduldet werden, weil es gar keine andere Wahl gab – aber es war und blieb eine Todsünde und durfte keinesfalls an Land fortgesetzt werden. Und von einem Kapitän, dem Gott auf See, durfte so etwas niemals, unter gar keinen Umständen, offenbar werden!
    Wenn dies also damals geschehen war, wäre es kein Wunder, wenn es nicht nur einen Fluch gehagelt hätte.
    Vielleicht war Fokke zu stolz gewesen und hatte sich zu sehr aufgelehnt – gegen das System, seinen König, was auch immer?
    Versprechen, Verrat, Verzicht. Vertrag, Verlust, Versagen. Verhinderung, Vernichtung, Verpflichtung. Verfluchung.
    Waren das alle? Und trafen sie alle zu?
    Ja. Davon war sie überzeugt. Das alles waren Facetten, was mit einer Liebe geschehen konnte, Gutes wie Schlechtes. Damit war schon eine ganze aufreibende Lebensgeschichte zusammengefasst. Fokkes Todesgeschichte war viel länger, aber nicht mehr von Bedeutung. Er hatte seinen Fluch angenommen und zum neuen Inhalt erkoren. Keine Ressentiments mehr, keine Moralzwänge, so frei, wie es nur möglich war – im Rahmen des Fluches.
    Wahrscheinlich sah er seinen Fluch tatsächlich als Befreiung an von Zwängen, die ihm im Leben unerträglicher gewesen waren als die Einschränkungen im Tod. Wobei es ja nur eine gab: das Schiff nicht verlassen zu können. Ansonsten musste er gar nichts mehr, nicht einmal mehr atmen. Und konnte trotzdem frei herumgehen, sich bewegen, sprechen, foltern und töten ...
    Das also wäre die letzte Frage, dachte Laura und wurde nervös. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, das wusste sie auch ohne Uhr. Aber wie formuliere ich sie? Wie packe ich alle Möglichkeiten, die es gibt, hinein? Dass es auch wirklich treffsicher ist?
    Sie schrak fürchterlich zusammen, als Andreas plötzlich durch die Wand hereindiffundierte.
    »Andreas! Spinnst du? Ich sitze gerade auf dem Klo!«
    »Deswegen bin ich ja hier. Nur hier kann ich mich so von hinten heranschleichen, dass Kramp mich nicht bemerkt.«
    »Aber könntest du wenigstens warten, bis ich ...«
    »Laura, wir haben nur ein paar Sekunden«, unterbrach der Seelengeist. »Es ist das Schiff. Du kennst die Frage bereits, du hast sie dir schon gestellt. Denk dran, was er getan hat.«
    Und damit war er wieder fort.
    Hä?, dachte Laura. Wie soll ich denn ...?
    Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

    Jetzt hab ich dich. Mit diesem Bewusstsein schritt Laura übers Deck auf die Kapitänskajüte

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