Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
streckte sich aus, sodass sie der Dolch während des Schlafs nicht behindern konnte, und fiel binnen weniger Sekunden in einen durch tiefe und regelmäßige Atemzüge gekennzeichneten Schlaf. Ihre Rechte umklammerte den Kristall, den sie an einer Kette um ihren Hals trug. War es das magisch geladene Amulett? War der Stein alles, was den Tod von ihr fernhielt?
Felix setzte sich neben die eingefallene Tür und lehnte sich ans Mauerwerk. Er starrte nach oben in den wie immer sternenlosen Nachthimmel. Es war so ruhig und so friedlich hier. Irgendwo zirpten Grillen, und das Land Innistìr strahlte einen Frieden aus, wie er ihn auf der Erde niemals kennengelernt hatte.
Doch dies war bloß eine Momentaufnahme, wie er nur zu gut wusste. Sie bewegten sich durch das Gebiet von Menschenfressern. Von Wesen, die zum Töten geboren waren und deren Horden für Alberich kämpften.
Schlaf übermannte ihn. Er machte es sich auf dem nackten Erdboden so bequem, wie er nur konnte. Das Feuer war beinahe niedergebrannt, es gloste ruhig vor sich hin und schenkte einen letzten Hauch von Licht, der über Angelas blasses Gesicht fiel.
Bevor er eintauchte in das dunkle Reich der Träume, hörte er sie einige Worte murmeln. Es klang, als hätte sie »Ich hasse dich!« gesagt.
Der nächste Morgen präsentierte sich feucht und regnerisch. Dicke Tropfen platschten durch die unzähligen Lücken im Dach des verlassenen Hauses, auf dem Boden breiteten sich Lachen aus.
Felix kam mühselig auf die Beine. Seine Gelenke schmerzten wie auch sein Rücken und der Kopf.
Angela schlief noch. Gut so! Sachte hob er den Stoff beiseite, den seine Frau um ihre Hüfte gewickelt hatte, und besah die Wunde rings um den Dolch Girne. Da waren einige wenige Blutstropfen, die unmittelbar neben dem Heft der Waffe klebten. Sie waren von sonderbarer Konsistenz; weder feucht noch trocken. Sie wirkten kristallin – und sie bewegten sich! Langsam, kaum wahrnehmbar schoben sich die Blutkristalle über Angelas Hüfte und flatterten dort wie Blütenblätter zu Boden.
Fasziniert beobachtete Felix den Vorgang. Die Kristalle entwickelten ein sonderbares Eigenleben. Sie berührten den Erdboden, blieben senkrecht stecken und verhakten zwischen winzigen Krümeln, um dann gut sichtbar zu wachsen. Binnen weniger Minuten entwickelte sich ein etwa fünf Zentimeter hohes Kristallgewächs, dessen winzige Blätter leise gegeneinanderklirrten.
Felix verstand nicht. Hier ging etwas vor sich, was seinen Horizont bei Weitem überstieg. Fest stand lediglich, dass es mit Angelas Eigenschaft als Kristallhexe in Zusammenhang stand.
Darüber hinaus vermutete er, dass Angela umso schwächer werden würde, je mehr Blutkristalle sie absonderte.
Seine Frau bewegte sich, tat einen leisen Schnarcher. Erschrocken zog Felix sich zurück. Er wollte, dass Angela so viel Schlaf wie möglich fand. Vielleicht würde die Erholungsphase auch ihr Gemüt beeinflussen, vielleicht würde sie ihm danach wieder mit jener sanften Freundlichkeit begegnen, die er so gut kannte.
Er achtete darauf, dass sie vor dem Regen geschützt blieb, und trat dann ins Freie. Seine Sicht reichte nur wenige Meter weit. Eine undurchdringliche Nebelsuppe hatte sich übers Land gelegt, und es wirkte so, als würde das schlechte Wetter noch für eine Weile anhalten.
Ihn fröstelte – und er hatte Hunger. Mit Appetit dachte er an die gestrige Fleischmahlzeit zurück. Wenn Angela bloß nicht so gierig gegessen hätte!
Aber nein; er hatte kein Recht, seine Frau zu kritisieren. Sie benötigte Energiezufuhr, so viel wie möglich, wollte sie den Kampf gegen den Dolch, der in ihr steckte, gewinnen oder zumindest im Gleichgewicht halten.
Er zog seinen Kopf zwischen die Schultern und machte sich auf den Weg. Rechts vom Haus hatte er gestern einige niedrige Sträucher entdeckt, die so etwas wie Stachelbeeren trugen. Felix fand sie rasch wieder und pflückte einige Früchte, um dann gleich wieder in die Hütte zurückzuhuschen. Nur noch jener leicht erhöhte Teil des Gebäudes, in dem Angela schlief, war vom Regen unberührt geblieben. Er drängte sich so eng wie möglich an sie und begutachtete seine Beute. Die Stachelbeeren schmeckten sauer und widerlich; aber sie würden ihre Mägen ein bisschen füllen.
Seine Frau rührte sich. Stöhnte. Griff instinktiv an den Kristall an der Halskette, dann an ihre Seite. Ihr Gesicht glänzte fiebrig. Sie riss die Augen auf, ohne ihn anzublicken.
»Sie kommen«, murmelte Angela. »Sie sind
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