Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
mittlerweile längst anders überlegt und würde ihn nun, vorsichtiger geworden nicht mehr in ihre Nähe lassen, um kein weiteres Mal seiner Wirkung als Mensch zu verfallen?
Im größten Wasserbecken vergnügten sich mittlerweile mehrere Dutzend Stadtbewohner. Alle trugen sie fette Bäuche vor sich her. Sie nutzten den Auftrieb im brusttiefen Wasser, um sich ein wenig leichtfüßiger als an Land zu bewegen. Finn ahnte, dass hier eine Orgie ihren Anfang nahm, deren Fortschritte er nicht weiter verfolgen wollte. Liebend gern hätte er sich zurückgezogen, und er sah seinen Begleitern an, dass es ihnen ebenso erging wie ihm.
Doch sie durften nicht noch mehr auffallen, als sie es ohnehin taten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben und darauf zu warten, dass sich die Dame Gystia blicken ließ. Und darauf zu hoffen, dass sie ihre Gönnerlaune beibehalten hatte.
Stöhnen und Seufzen drangen zu ihnen hoch, und Heerscharen von Sklaven taten ihr Bestes, um die Damen und Herren der Stadt bei ihrem Tun zu unterstützen.
Eine Orgie in einem versifften mexikanischen Bordell nahe der Grenze zu den USA könnte nicht schlimmer sein ..., dachte Finn angewidert.
»Ist sie das?« Anais deutete über die Balustrade nach unten.
»Ja, das ist sie. Gystia.« Finn zuckte zusammen, als die Dame zu ihm hochblickte und Augenkontakt aufnahm. Ein seltsames Lächeln umspielte ihre Lippen. Es machte ihm Angst.
Gystia erregte Aufsehen bei den Städtern. Sie erhielt mehrere Angebote, sich am Treiben im Wasser zu beteiligen, doch sie brachte ihre Artgenossen mit einigen harschen Worten zum Schweigen. Es war deutlich zu erkennen, dass die Badenden allesamt gehörigen Respekt vor ihr hatten. Sie wandten sich rasch von Gystia ab und benahmen sich tunlichst so, als hätten sie niemals das Wort an sie gerichtet.
Brisly und zwei seiner Artgenossen eilten mit kurzen Schritten vor der Dame her und räumten ihr mithilfe der Ellenbogen den Weg frei. Sie gingen dabei nicht unbedingt zimperlich mit den auf den Stiegen herumlungernden Sklaven und Dienern um.
»Was macht sie so mächtig?«, fragte Karen. »Warum hat jedermann einen derartigen Respekt vor ihr?«
»Keine Ahnung. Brisly wollte es mir nicht sagen.«
Gystia kam die Treppe hochgeschwebt. Sie trug ein raffiniert geschnittenes, vorne geschlitztes Kleid, das ihre langen Beine vorteilhaft zur Geltung brachte. Mit einem Wink scheuchte sie andere Gäste des Balkons beiseite, ließ sich einen bequemen Stuhl sowie mehrere Pölsterchen bringen und setzte sich unmittelbar neben Finn nieder.
»Das sind also deine Landsleute«, sagte die Dame, ohne Karen, Anais, Rudy und Frans auch nur eines Blickes zu würdigen. »Du hast, was du wolltest.«
»Noch nicht ganz«, wagte Finn mit laut klopfendem Herzen zu sagen. »Du weißt, dass ich versprochen habe, alle Mitglieder meines kleinen Trupps zu ... befreien.«
Gystia spielte gelangweilt mit einem feurigen Brillantring an ihrer Rechten. »Und du weißt hoffentlich, welche Mühen ich aufgewendet habe, um dir einen Gefallen zu tun.«
»Du sollst mir keinen Gefallen tun, Gystia, sondern du sollst es tun, weil du es als richtig empfindest.«
»Du wagst es ...« Die Dame hieb unbeherrscht auf den Tisch, dass die Gläser hochsprangen. Ringsum versteckten sich die Gäste in dunklen Nischen oder im Inneren des Gebäudes. »Ihr lasst uns allein!«, herrschte sie die Menschen in Finns Begleitung an. »Was wir hier besprechen, geht nur uns beide etwas an!«
Die vier waren sichtlich erleichtert über den Befehl. Sie fühlten sich unwohl in der Nähe der Dame. So unwohl, wie auch er sich anfangs gefühlt hatte.
Finn rückte näher an Gystia heran, obwohl alles in ihm schrie, dass Gefahr drohte. Diese Frau war unberechenbar!
»Ich bitte dich«, sagte er eindringlich, »hilf mir weiterhin! Ich pflege meine Versprechen zu halten. Der Gedanke, dass irgendein perverser Kerl sich an Gina, diesem jungen Mädchen, aufgeilt und sie vergewaltigt ...«
Ihm wurde übel, und er versuchte tunlichst, die Bilder des Treibens unter ihrem Balkon auszusparen. Es hatte mittlerweile wieder Fahrt aufgenommen. Das Wasser blubberte und kochte. Gestalten, die nichts Menschliches an sich hatten, glitten durch das kachelbesetzte Bassin und rieben sich eng an den Orgien-Teilnehmern.
Er fühlte Gystias Hand auf der seinen. Sie fühlte sich kalt an, der Griff war fest. »Ich hätte so viel von dir zu lernen«, sagte die Dame mit müder Stimme. »Wenn du doch bloß
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