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Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme

Titel: Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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verharrte für Minuten in dieser Position. Schließlich entspannte er sich und zog sich einen Schritt zurück. »Ich wusste nicht, dass ihr so seid«, sagte er dann.
    »Ich verstehe nicht ...«
    Brisly verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. Er wirkte nachdenklich. »Kein Wunder, dass ihr als Ware derart heiß begehrt seid. Es brennt ein besonders starkes Feuer in euch. Da drin.« Er deutete auf Finns Herz. »Es ist sehr stark, und das der Bewohner der Stadt ist sehr schwach. Seine Wirkung reicht womöglich für zwei. Oh, es ist eine gefährliche Gabe, die du da in dir verbirgst.«
    »Das bedeutet: Ich könnte etwas in der Dame Gystia rühren? Sie für Eigenschaften wie Barmherzigkeit, Liebe, Mitleid und Leidenschaft empfänglich machen?«
    »Dieser Gedanke ist sehr weit hergeholt«, sagte Brisly nachdenklich. »Aber er stimmt in seinen Grundzügen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Dame reagiert, sobald sie sich dessen bewusst wird. Sie ist eine sehr intelligente Frau, und sie könnte es hassen, wenn sie feststellt, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verliert.«
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte Finn.
    »Gar nichts, Mensch. Dir ist jede Möglichkeit genommen, selbstständig zu handeln. Für dich gibt es kein Entkommen aus diesem Haus oder gar aus der Stadt.« Er seufzte, und es hörte sich an, als würde eine Steinlawine losgetreten werden und ein ganzes Tal unter sich begraben. »Du musst warten und das Urteil der Dame abwarten.«
    »Einfach nur hier sitzen und warten?« Finn ballte die Hände zu Fäusten. »Niemals! Ich werde ... werde ...«
    »Du wirst gar nichts. Du bist an das Haus gebunden. Und ich meine das wortwörtlich. Als du hier eingetreten bist, wurdest du eingewebt in ihre Zauber. Ohne Gystias Erlaubnis wirst du diese Mauern niemals wieder verlassen.«
    »Was für ein hanebüchener Unsinn!« Finn stand auf, schob den Vorhang beiseite und stapfte energisch in Richtung Tür. »Siehst du?«, sagte er zu Brisly, der ihm nachlief. »Es ist ganz leicht. Ich brauche bloß ... bloß ...« Er blieb ohne sein bewusstes Zutun stehen. Sosehr er sich auch bemühte: Seine Beine wollten und wollten nicht mehr gehorchen, und auch der Wunsch, den Palast der Dame Gystia zu verlassen, verblasste allmählich.
    »Lass es bleiben!«, riet Brisly mit ungewohnt sanfter Stimme. »Denkst du, ich hätte es niemals versucht?«
    Finn drehte sich um und kehrte zum Verschlag zurück. Wut und Niedergeschlagenheit hielten sich die Waage. Er war zum Ball geworden in einem Spiel, dessen Regeln er nicht einmal kannte. Und er hatte es gründlich satt, dass andere über sein Leben bestimmten.
    Er setzte sich und wünschte sich einen großes, gut temperiertes Glas Guinness herbei. Sein Schicksal lag in den Händen einer launischen Frau, und dieser Gedanke missfiel seinem irischen Herzen zutiefst.

    Die Wände verfärbten sich. Sie nahmen pastellfarbene Tönungen an, und dann begannen sie zu beben, wie auch der Boden Risse bekam.
    »Bleib ruhig«, mahnte Brisly, »und sieh zu, dass du die Gute Mutter immer zur Hand hast!« Er erhob sich und verließ den Verschlag.
    »Wo gehst du hin?«
    Der Gnom lächelte schief. »Ich bin nicht umsonst so alt geworden in den Diensten der ehrwürdigen Dame. Keinesfalls werde ich mich in der Nähe eines Stücks Ware aufhalten, das schon während der nächsten Minuten zum Tode verurteilt werden könnte. In diesem Haus ist sich jeder selbst der Nächste.« Er grinste Finn an. »Mach's gut - und viel Glück.«
    Finn verstand den Kleinen nur zu gut. Angesichts des immer wieder hochkommenden Furors der Dame war es mehr als ratsam, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten.
    Er betrachtete die Gute Mutter in seiner Hand. Sie lockte. Vielleicht sollte er sie jetzt in den Mund stecken, um sie schlucken zu können, bevor Gystia über ihn kam?
    Die Dame ... Sie trug einen guten Kern in sich. Er konnte es fühlen. Da war etwas, das sich rühren ließ und nur ein wenig Zuwendung benötigte, um es größer werden und wachsen zu lassen. Doch würde ihm die Zeit dafür bleiben? Gystia wirkte nicht wie jemand, der die Geduld gepachtet hatte.
    Andererseits: Sie besaß Einfluss und Macht. Sie mochte eine wertvolle Verbündete im Kampf um die Rückkehr der Menschen zur Erde sein. Auch konnte sie ihm helfen, seine ebenfalls als Sklaven verkauften Begleiter freizusetzen.
    Gras wuchs aus den Wänden. Von allen Seiten regnete es Pflanzenpollen, die zum Niesen reizten. Die Abdeckung des

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