Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons
anderer Menschen richtig einzuschätzen. Trotzdem schreckte er davor zurück; wieso, konnte er nicht sagen.
Vielleicht, weil sie dir wichtig ist?, fragte eine innere Stimme.
Milt verdrängte sie und konzentrierte sich auf seine juckenden Beine.
Irgendwann schlief er ein.
Es knallte.
Milt riss die Augen auf, wurde mit dem Rücken gegen etwas gepresst. Eine Windböe fuhr durch seine Haare, in seinen Ohren knackte es. Eine Sekunde lang war er wieder im Flugzeug, stürzte dem Ozean entgegen, doch dann spürte er, dass er keinen weichen Flugzeugsitz im Rücken hatte, sondern hartes Holz. Er hörte Menschen erschrocken aufschreien. Äste knackten, abgerissene Blätter trudelten zu Boden. Unter ihm klirrte etwas.
Neben ihm setzte sich Laura mit einem Ruck auf und sah sich um. »Was war das?«, fragte sie. Ihre Stimme klang schlaftrunken und belegt.
»Ich weiß es nicht.« Milt blinzelte in die Morgensonne.
»Hi«, sagte eine Stimme unter ihm.
Er beugte sich vor, sah zwischen den Ästen und Blättern hindurch zu dem Mann, der neben dem niedergebrannten Feuer stand und sich den Staub aus der Kleidung klopfte.
»Finn?«, fragte Milt ungläubig.
Der Ire grinste. »Morgen zusammen.«
Er war nicht allein. Um ihn herum rappelten sich Rimmzahn, Karys, Gina und vier weitere Menschen, deren Namen Milt nicht kannte, vom Boden hoch. Sie alle lächelten, wirkten ebenso erschöpft wie erleichtert.
Milt stieg gemeinsam mit den anderen von den Bäumen. Sie umarmten und begrüßten sich, erzählten, was ihnen zugestoßen war. Das Getier war verschwunden, nur Vogelfedern und zerstörte Chitinpanzer waren geblieben.
»Wo ist denn ...«, begann Jack und schnippte mit den Fingern. »Wie heißt sie noch gleich? Die Frau im senffarbenen Kostüm?«
Rimmzahn schüttelte den Kopf. »Sie war nicht bereit, uns zu glauben. Derjenige, der die Träume kontrollierte, der Administrator, Fahnder, Vorgesetzte, hat sie manipuliert. Sie konnte sich seiner Autorität nicht widersetzen.«
»Traum?«, fragte Laura verwirrt. »Welcher Traum? Ihr wart auf einmal weg, und ...«
»Oh, das ist eine lange Geschichte«, gab Finn zurück. Letztlich ließ er sich aber doch zu einem kurzen Bericht der Geschehnisse aus seiner Sicht bewegen.
»Heißt das, sie ist immer noch in ihrem Traum gefangen?«, fragte Laura, als der Ire geendet hatte. Milt sah, wie sie den Rucksack vom Boden aufhob. Die Druckwelle, die durch die Ankunft der zweiten Gruppe entstanden war, musste ihn vom Baum geworfen haben.
»Ich glaube nicht«, sagte Rimmzahn. »Der Traum verging. Entweder ist sie mit ihm vergangen, oder sie sitzt immer noch in der Blase, in der wir gefangen waren.«
»Ganz allein?« Die Vorstellung schien Luca zu erschrecken.
Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter. »Denk nicht darüber nach.«
»Sie ist sowieso wahrscheinlich schon t...«
Andreas unterbrach Simon mit einem lauten Räuspern. »Warum essen wir nicht alle erst einmal etwas und reden auf dem Weg weiter? Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich würde heute Abend gern weit weg von allem, was auf dem Boden kriecht, sein.«
Milt ging zu Laura, blieb dicht neben ihr stehen. »Was ist mit unserem Plan?«, fragte er leise. »Die Gelegenheit ist günstig. Alle sind abgelenkt.«
Sie griff in den Rucksack und zog das Etui heraus. Mit einer Hand klappte sie es auf. »Leider gibt es einen kleinen Rückschlag.«
Milt verzog das Gesicht, als er den zersplitterten Spiegel sah. Er hatte den Sturz nicht überstanden. »Das war's dann wohl.«
»Erst mal, bis uns etwas anderes einfällt.« Laura klappte das Etui zusammen und steckte es zurück in den Rucksack.
Gemeinsam frühstückten sie. Ein paar Nüsse, irgendetwas trockenes, faseriges Grünes und eine Tasse Wasser, das war die Ration, mit der sie sich zufriedengehen mussten. Dann schüttelten sie die Taschen aus, die nachts am Boden gestanden hatten und machten sich auf den Weg nach Osten.
»Kommst du?«, fragte Milt, als er Finn am Boden knien sah. Der klappte sein Taschenmesser zu und stand auf.
»Sofort.«
Er wandte sich ab und folgte den anderen. Milt hätte sich ihm beinahe angeschlossen, doch dann sah er, dass Finn etwas in den Baum geritzt hatte. Es war ein Kreuz und darunter die Worte »Die unbekannte Frau - niemand verdient es, namenlos zu sterben - ruhe in Frieden«.
6
Der lauernde
Feind
J ack wartete, bis alle das Lager verlassen und sich auf den Pfad in Richtung Osten begeben hatten, dann trat er die Asche der
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