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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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er viel schlimmere Verletzungen gesehen.
    »Hier…« Joe nahm den Kessel vom Feuer und goss kochendes Wasser in zwei Becher aus Blech. Wer immer sie hergefahren hatte, hatte ihnen genügend Vorräte dagelassen. Joe hatte einen rosafarbenen Tee zubereitet, der ein wenig bitter roch. »Meg gel Tee«, erklärte er. »Er reinigt das Blut. Vielleicht hilft er auch gegen das Gift in deiner Wunde.«
    »Danke.« Jamie nahm den dampfenden Becher entgegen, trank aber noch nicht. »Sind wir hier sicher?«
    »Ja. Die Behörden werden hier nicht nach dir suchen. Und falls doch, werden sie dich nicht finden. Mein Volk weiß, wie man sich versteckt.«
    »Du bist vom Stamm der Washoe.«
    »Stimmt. Genau wie du und dein Bruder.«
    Joe Feather trug jetzt alte zerknitterte Jeans und ein kariertes Hemd. Seine langen schwarzen Haare hingen ihm über die Schultern, und damit sah er viel indianischer aus als in seiner Aufseher-Uniform.
    »Du weißt von den Fünf.« Jamie erinnerte sich noch daran, was Joe gesagt hatte, als er zu ihm in die Einzelzelle gekommen war. »Weißt du auch etwas über die Alten?«
    Joe sah ihn einen Moment nur an. »Das ist nicht unser Name für sie«, sagte er. »Sie heißen bei jedem Stamm anders. Die Navajo nennen sie Anasazi. Das bedeutet alte Feinde. Wir nennen sie die Menschenfresser. Aber es sind dieselben, die du meinst.«
    »Woher wusstest du, wer ich bin?«
    »Ich habe auf dich gewartet.« Joe nippte an seinem Tee und bedeutete Jamie, dasselbe zu tun. »Womit soll ich anfangen, um dir alles zu erklären, was du wissen willst?«, sagte er. »Vielleicht sollte ich dich erst einmal fragen, wie viel du über die Washoe weißt – und über die anderen Indianerstämme.«
    »Nicht sehr viel«, gab Jamie zu. »Wir haben in der Schule über Indianer gesprochen und darüber, was mit ihnen geschehen ist.«
    »Dann solltest du wissen, dass mein Volk vernichtet wurde«, sagte Joe sehr sachlich und ohne jede Verbitterung. »Die Washoe waren ein Bergstamm, und wir haben gelernt, uns zu verstecken, aber trotzdem sind heute nur noch ein paar Hundert von uns übrig. Natürlich ist es nicht nur uns so ergangen. Alle Indianerstämme Amerikas haben dasselbe Schicksal erlitten. Die Weißen haben uns unsere Vergangenheit genommen und ließen uns mit wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufwachsen. Viele unserer Eltern haben versucht, ihren Schmerz mit Alkohol zu betäuben. Und viele der jungen Leute haben aus demselben Grund Drogen genommen.
    Es gibt jedoch einige von uns, die in zwei Welten leben. Wir arbeiten im modernen Amerika – in den Hotels und Casinos oder, wie ich, im Gefängnis. Doch wir haben unsere Geschichte nicht vergessen. Und wir erzählen uns immer noch von einer großen Schlacht, die zu Anbeginn der Zeiten stattgefunden hat. Und von den zwei Helden – Zwillingen –, die geholfen haben, sie zu gewinnen.«
    »Flint und Sapling.«
    »Das sind nicht die Namen, die wir benutzen. Ich glaube, die Irokesen nennen sie so. Aber das spielt keine Rolle. Es gab eine Zeit, in der alle Stämme zu einem einzigen gehörten. Außerdem sind diese Geschichten nie aufgeschrieben worden. Sie verändern sich im Laufe der Zeit.
    Aber die Geschichte der heldenhaften Zwillinge ist nach wie vor lebendig. Bei den Apachen, den Kiowa, den Navajo und vielen anderen. Die Zwillinge sind immer Jungen in deinem Alter. In vielen der Geschichten ist Flint der Böse, der schuld ist am Tod seines Bruders Sapling.«
    »Er war nicht böse«, widersprach Jamie. »Sapling wollte sterben.«
    »Uns wurde immer erzählt, dass die beiden Helden in einer Zeit der größten Gefahr zurückkommen würden und dass wir nach ihnen Ausschau halten sollten. Es gab eine Möglichkeit, sie zu erkennen.« Joe berührte seine eigene Schulter. »Sie würden ein Mal tragen. Genau hier…«
    »Eine Tätowierung…«
    »Du kannst es so nennen, aber es ist nichts, was dir jemand eingestochen hat. Das habe ich sofort gesehen. Du bist mit diesem Mal geboren worden.«
    »Was bedeutet es?«
    »Indianische Symbole haben viele Bedeutungen, aber die Spirale ist das Symbol des menschlichen Lebens. Jeder Mensch hat Spiralen auf seinem Körper – denk nur an deine Fingerspitzen oder den Haarwirbel auf dem Hinterkopf –, und uns waren diese Körperteile schon immer heilig. Eine Spirale ist rund und endet niemals, also kann sie auch Unsterblichkeit bedeuten. Und die Linie, die durch die Spirale führt und sie in zwei Hälften teilt, könnte ebenfalls vieles bedeuten. Tag und

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