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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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mir verloren.«
    Das erklärte zumindest etwas, das Jamie bisher nicht verstanden hatte – warum es ihm nicht gelungen war, Max Koring seinen Willen aufzuzwingen. Er hatte gedacht, er hätte seine Fähigkeit verloren. Aber es hatte an der Lage des Gefängnisses gelegen. Irgendein natürliches Phänomen – vielleicht ein Magnetfeld oder so etwas – war schuld daran gewesen. Nightrise hatte wirklich nichts dem Zufall überlassen.
    »Sie haben nach den Fünf gesucht«, murmelte Jamie. Das war ihm jetzt klar.
    »Sie haben es das PSI-Projekt genannt«, fuhr Daniel fort. »Die anderen Kinder kamen aus ganz Amerika. Sie haben mit allen dasselbe gemacht. Sie getestet. Ihnen wehgetan und sie schließlich in Ruhe gelassen. Danach saßen wir einfach im Knast, was eine Sauerei war, weil keiner von uns etwas Falsches getan hat. Billy hatte Angst, dass sie uns eines Tages umbringen würden – wenn sie uns nicht mehr brauchten.«
    »Wer ist Billy?«
    »Er war mein Freund. Es tut mir leid, dass wir ihn zurücklassen mussten. Ich hoffe nur, dass es ihm gut geht.«
    »Erzähl mir von Scott.«
    »Scott ist als Letzter gekommen. Das muss drei oder vier Wochen her sein. Er hatte die Zelle neben meiner, und ich habe ihn gesehen, bevor sie angefangen haben, ihn zu bearbeiten.« Jamie zuckte zusammen. »Äh, entschuldige bitte…«, murmelte Daniel.
    »Wie sehr haben sie ihm wehgetan?«
    »Sie haben ihn mitgenommen, und sie müssen ziemlich gemeine Sachen mit ihm gemacht haben, weil er nach ein paar Tagen nicht mehr mit mir reden wollte. Er hat mit niemandem mehr gesprochen. Der Typ mit der Glatze hat ihn bearbeitet… Mr Banes.« Daniel verstummte. »Joe hat mir erzählt, was mit ihm passiert ist. Ich hätte ihn zu gern sterben sehen.«
    »Das geht mir genauso«, sagte Jamie.
    »Wir wussten, dass Scott wichtig für sie war, weil diese Frau gekommen ist. Sie war dünn und hässlich, mit grauen Haaren und einem Gesicht wie eine vergammelte Frucht. Wir haben sie vorher nur einmal gesehen, aber alle hatten Angst vor ihr.«
    »Weißt du ihren Namen?«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Sie hat sich nie vorgestellt – zum Glück, kann ich nur sagen.«
    Es gab noch etwas, das Jamie wissen musste, obwohl er die Frage am liebsten nicht gestellt hätte. »Was ist mit Scott passiert?«, fragte er. »Was haben sie mit ihm gemacht?«
    »Ich weiß es leider nicht, Jamie. Er war plötzlich verschwunden. Keiner weiß, wohin sie ihn gebracht haben.«
    Das war es dann also.
    Dasselbe hatte Joe ihm auch erzählt. In Jamie keimte Verzweiflung auf, aber er ließ sich nicht von ihr überwältigen. Er würde nicht aufgeben. Er erinnerte sich an alles, was Matt gesagt hatte. Er hatte eine Armee angeführt und in einem Krieg gekämpft… auch wenn es in einer anderen Welt und zu einer anderen Zeit gewesen war. Komischerweise dachte er keine Sekunde lang, dass das Ganze gar nicht passiert war oder dass er es sich nur eingebildet hatte, während er bewusstlos war. Er wusste, dass es echt war. Und Joe hatte in ihm einen der Fünf erkannt. Was auch immer passierte – er würde Scott finden, egal, wie lange es dauerte.
    »Wann können wir hier weg?«, fragte Daniel.
    Der Junge war erst elf. Er war am helllichten Tag entführt, von seiner Mutter getrennt und sieben Monate lang gefangen gehalten worden. Jamie konnte gut verstehen, wie er sich fühlte.
    Joe kam mit einem Topf zurück.
    »Wann können wir hier weg?«, wiederholte Daniel seine Frage. »Wohin willst du denn?«, fragte Joe.
    »Wir müssen zurück nach Reno. Da wartet seine Mutter auf ihn«, erklärte Jamie.
    Joe überlegte. »Noch vierundzwanzig Stunden«, sagte er. »Die nächste Straße ist zehn Kilometer entfernt, und wir müssen nachts gehen. Ich habe Freunde, die auf uns warten. Sie fahren euch, wohin ihr wollt.«
    »Können wir wirklich morgen gehen?«, vergewisserte sich Daniel.
    »Wenn Jamie so weit ist.«
    »Keine Sorge, Danny«, sagte Jamie und trank einen Schluck Tee. »Ich schaff das schon.«
     
    Sie brachen am darauffolgenden Abend auf. Jamie stützte sich auf einen Stock, den Joe ihm gebracht hatte. Er wusste, dass er eigentlich noch nicht bereit für die Wanderung war. Seine Schulter und sein Arm schienen in Flammen zu stehen, und er war immer noch schwach vom Blutverlust. Aber er konnte Daniel nicht länger warten lassen. Es war eine perfekte Vollmondnacht, und eine Million Sterne wiesen ihnen den Weg. Der Abstieg von den Bergen dauerte lange, aber in der Ebene kamen sie besser voran. Joe

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