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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Hals offenes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Er hatte einen Hut auf – keinen Cowboyhut, aber etwas Ähnliches –, und seine Stiefel reichten ihm bis zur Mitte der Waden. Er war vollkommen in das vertieft, was er da tat.
    Jamie stand auf und ging auf ihn zu. Er wollte etwas sagen, aber das Knirschen seiner Turnschuhe auf dem Kies verriet ihn bereits vorher. Der Mann sah sich um und richtete sich auf. Jamie musste feststellen, dass er wirklich riesig war, mindestens zwei Meter groß. Das lange Haar reichte ihm bis in den Nacken, und sein hartes, zerfurchtes Gesicht war vor Wut verzerrt. Er hatte seine Schale fallen lassen und jetzt ein großes Messer in der Hand.
    »Es tut mir leid…« Jamie wusste nicht, weswegen er sich entschuldigte.
    Der Mann sah auf ihn herab und sagte nichts.
    »Können Sie mir helfen?«, fragte Jamie.
    »Er wird ihn umbringen«, sagte der Mann. Er hatte einen merkwürdigen Akzent. Er sprach zwar amerikanisch, aber es klang irgendwie altmodisch, wie aus einem alten Schwarz-WeißFilm.
    »Von wem reden Sie?«
    »Das weißt du. Du weißt genau, von wem ich rede.«
    »Sie meinen… Scott?«
    Der Mann nickte. »Er wird ihn umbringen. Und es ist deine Aufgabe, ihn aufzuhalten.«
    »Aber wer will ihn umbringen? Sie müssen mir helfen, ihn zu finden…«
    Mehr konnte Jamie nicht sagen, denn der Mann ging mit dem Messer auf ihn los. Etwas knallte ihm gegen den Kopf, und er dachte, der Mann hätte zugestochen. Doch der Riese hatte mit dem Griff des Messers zugeschlagen, nicht mit der Klinge. Jamie schrie auf, als er durch die Wucht des Aufpralls von den Füßen gerissen wurde und auf dem Boden aufschlug. Er spürte, wie ihm das Blut die Schläfe hinablief, und fragte sich, ob er einen Schädelbruch hatte. Der Mann trat vor und beugte sich über ihn. Das Messer hielt er mit beiden Händen fest, als wollte er ein Opfer darbringen. Es blitzte ein letztes Mal.
    »Halte ihn auf!«, befahl der Mann.
    Die Hände mit dem Messer fuhren herab.
    Jamie wachte auf.
    In seinem Kopf hämmerte es, und einen Moment glaubte er wirklich, dass er angegriffen worden war. Er hob eine Hand und berührte vorsichtig die Stelle, auf die er den Schlag bekommen hatte. Da war nichts. Kein Blut. Keine Spur von einer Wunde. Er lag vollständig angezogen auf einem Bett. Einen Moment lang rührte er sich nicht und ließ seine Gedanken durcheinanderwirbeln, um auszusortieren, was echt war, was er nur geträumt hatte, wo er war und wie er dorthin gekommen war. Der Angriff am Theater. Der war echt. Er erinnerte sich auch an das Hupkonzert, die Neonlichter und das Auto, das quer durch den Gegenverkehr geschossen war, um ihn einzusammeln.
    Scott. Sie hatten ihn gekriegt. Ruckartig setzte Jamie sich auf und begann, nach seinem Bruder zu suchen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war, dass er sich in der Nähe befand. Aber das spielte keine Rolle. Er tat es instinktiv. Er schickte seine Gedanken aus, zuerst im Zimmer, dann in das Zimmer nebenan, dann weiter. Er rief den Namen seines Bruders, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Nichts. Keine Reaktion. Jamie spürte die Stille, und sie verriet ihm, dass das eingetreten war, was er am meisten fürchtete: Er war allein.
    Er ließ sich wieder aufs Kissen fallen. Die Stelle an der Schulter, an der ihn der Pfeil getroffen hatte, tat weh. Sie hatten ihn betäubt. Wie lange hatte er geschlafen? Die Sonne schien. Vor dem Fenster war zwar das Rollo heruntergezogen, aber das Licht drang an den Seiten vorbei.
    Sein Mund war trocken, und er fühlte sich schlecht. Er sah sich um und stellte fest, dass er in einem Hotelzimmer war. Das verrieten ihm die spärliche Einrichtung, die billigen Möbel und die Bilder an den Wänden – Fotos von Reno, wie es vor fünfzig Jahren ausgesehen hatte. Auf dem Nachttisch stand ein Glas Wasser. Er nahm es und trank. Es war angenehm kühl. Ein paar halb geschmolzene Eiswürfel schwammen an der Oberfläche. Er leerte das Glas, schwang die Beine vom Bett und wollte aufstehen.
    Die Zimmertür ging auf, und es kam jemand herein. Durch das Morgenlicht, das die Person umgab, konnte Jamie zuerst nicht erkennen, wer es war. Dann wurde die Tür geschlossen, und Jamie sah, dass es eine junge schwarze Frau war. Sie trug Jeans, ein weißes T-Shirt und darüber ein buntes Baumwollhemd. Sie hatte zwei Einkaufstüten dabei.
    »Wann bist du aufgewacht?«, fragte sie.
    Jamie ging nicht auf ihre Frage ein. »Wer sind Sie?«, fragte er. »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Es ist

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