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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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die nur mit halbhohen Trennwänden voneinander abgeschirmt waren. Zwanzig oder dreißig überwiegend junge Frauen und Männer arbeiteten am Computer oder telefonierten. Die Teppiche waren so dick, dass sie jedes Geräusch schluckten. Wurden so Geschäfte gemacht? Es war so leise wie in einem Labor… oder vielleicht wie in einer Kirche. Jamie kam an eine offene Tür und sah hinein. In dem Raum stand ein Fotokopierer, und ein junger Mann in Jeans und einem am Kragen offenen Hemd, der nur fünf oder sechs Jahre älter war als er, sortierte einen Stapel Papier. Jamie wollte schon weitergehen, als der junge Mann plötzlich aufschaute.
    »Suchst du jemanden?«, fragte er.
    »Ja…« Jamie hob den Umschlag und zeigte den Namen, der darauf stand. »Ich soll das hier einem Mr Colton Banes bringen.«
    »Banes? Weißt du, in welcher Abteilung er arbeitet?« »Nein. Das steht hier nicht.«
    »Dann lass uns mal nachsehen…« Der junge Mann ging zu einem Tisch und schlug ein Ringbuch aus Plastik auf. Er blätterte darin herum. »Banes…«, murmelte er. »Hier ist er. Du bist im falschen Stockwerk. Er sitzt im neunundvierzigsten Stock, Zimmer 4925. Das muss einer von den Bossen sein! So ist das hier. Je mehr man zu sagen hat, desto höher kommt man.« »Danke.« Jamie zog sich zurück.
    Er dachte schon, dass er zum Fahrstuhl zurückgehen musste, aber als er aus dem Kopierraum kam, fiel sein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift NOTAUSGANG. Natürlich, wenn es brannte, durfte man die Aufzüge nicht benutzen. Es musste also Treppen geben.
    Jamie ging auf die Tür zum Notausgang zu. Eine Frau mit einem Stapel Akten unter dem Arm hastete an ihm vorbei, aber niemand hielt ihn auf. Niemand sah ihn auch nur an. Er stieß die Notausgangstür auf und landete tatsächlich in einem Treppenhaus. Er rannte nach oben und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Er hatte zwar Banes’ Büronummer, doch die Zeit lief ihm davon. Alicia würde in wenigen Minuten anrufen. Bisher war alles ein Kinderspiel gewesen, im Vergleich zu dem, was als Nächstes kam. Jamie fürchtete sich schon jetzt davor. Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug – und das kam nicht nur vom Treppensteigen.
     
    Der neunundvierzigste Stock sah genauso aus wie der, den er gerade verlassen hatte. Auch hier waren die Büros der leitenden Angestellten und ihrer Sekretärinnen, die Konferenzräume auf der linken Seite und rechts das Großraumbüro. Auch hier liefen Leute zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen herum, aber sie unterhielten sich nur halblaut, als hätten sie Angst, belauscht zu werden. Gemälde gab in in diesem Stock nicht. Die Wände waren mit Postern bedeckt – genau genommen mit immer demselben Poster. Es zeigte einen ernst aussehenden grauhaarigen Mann. Auf seinem Gesicht war der Anflug eines Lächelns zu sehen, als wollte er gern nett sein, hätte aber zu viel anderes im Kopf.
     
    CHARLES BAKER WÄHLEN.
     
    Jamie kannte den Namen des Senators, der ebenso wie John Trelawny für das Amt des Präsidenten kandidierte. Es sah aus, als wäre das gesamte Stockwerk auf Bakers Seite.
    Jamie war beunruhigt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn jemand entdeckte. Wenigstens wusste er, wohin er musste. 4907, 4908… er kam an einem Büro nach dem anderen vorbei. Hastig sah er auf die Uhr. Noch zwei Minuten.
    Colton Banes hatte ein großes Büro in der Ecke, und die Tür stand halb offen. Jamie näherte sich vorsichtig und spähte hinein. Es gab ein Vorzimmer mit einem Schreibtisch für eine Sekretärin, die allerdings nicht da war. Eine zweite Tür, die ebenfalls offen stand, führte in einen größeren Raum. Und da war er. Er saß auf einem ledernen Schreibtischsessel hinter einem antiken, auf Hochglanz polierten Schreibtisch. Jamie holte tief Luft. Obwohl er gekommen war, um Banes zu sehen, war es doch ein Schock. Diese kalten, wässrigen Augen und die Glatze, die aussah, als wäre sie durch irgendeine Krankheit entstanden. Dieses Büro war Welten vom Theater entfernt, und es fiel Jamie schwer, die Verbindung herzustellen. Hatte Nightrise diesen Mann geschickt, um ihn und seinen Bruder zu entführen? Hatte Banes wirklich zwei Leute umgebracht – Don und Marcie –, als der Plan nicht aufgegangen war?
    Er sah auf die Uhr. Noch dreißig Sekunden.
    »Wer bist du? Was machst du hier?«
    Die Stimme kam von hinten. Ein Mann näherte sich ihm, und Jamie sah sofort, dass er ganz anders war als der aus dem

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