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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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verloren, und am gleichen Tag hat er uns gesagt, dass wir verschwinden sollten. Ich erinnere mich noch gut daran. Leanne war nicht da. Sie hatte Nachtschicht im Carson Nugget, und wir waren mit Ed allein. Er hatte getrunken und fing wieder an, mit Scott zu streiten. Er hat behauptet, dass er schon mit dem Jugendamt gesprochen hätte und wir ausziehen müssten. Aber diesmal sollte es anders laufen, denn wir sollten getrennt werden, weil wir zusammen zu viel Ärger machen würden. Scott sollte in Carson City bleiben und ich in einen anderen Staat kommen.
    Ich weiß nicht, ob das gelogen war. Aber Ed und Scott fingen an sich anzuschreien, und da ist es plötzlich passiert. Scott hat ihm in die Augen gesehen, und ich werde nie vergessen, was er gesagt hat. Ich kann die Worte genau wiederholen. › Niemand wird uns trennen. Geh, und häng dich auf!‹ «
    Jamie verstummte.
    »Mein Gott!«, flüsterte Alicia.
    Jamie nickte. »Das trifft es genau. Ed stand auf, und er hatte diesen komischen Gesichtsausdruck. Als stünde er unter Schock… als hätte ihm jemand etwas so Schlimmes gesagt, wie er es noch nie gehört hatte. Er stand einfach auf, ging aus dem Zimmer, durch die Küche und in die Garage. Wir haben gehört, wie die Tür auf- und wieder zugemacht wurde. Ich habe daran gedacht, ihm nachzulaufen, aber ich war so verblüfft – und du darfst nicht vergessen, dass ich erst zwölf Jahre alt war.
    Leanne hat ihn gefunden, als sie vom Casino kam. Er war in die Garage gegangen, auf eine Trittleiter gestiegen und hat sich mit einem Seil am Deckenbalken erhängt. Natürlich hat das niemanden überrascht – bei seiner Trinkerei, dem ewigen Streit und dem Verlust seines Jobs. Er hatte einfach genug davon. Zumindest haben das alle geglaubt.
    Scott und ich wussten es besser. Wir haben nur ein einziges Mal darüber gesprochen, und Scott hat gesagt, dass es ein Unfall war, und so haben wir es später immer genannt. Der Unfall. Scott hatte nicht gewusst, was er da tat. Er wollte nicht, dass das passiert. Es waren doch nur Worte.«
    »Es war nicht Scotts Schuld«, sagte Alicia. »Ihr wart beide nicht schuld daran.«
    Jamie zuckte die Schultern. »Die nächsten paar Wochen waren eine Katastrophe. Es begann mit der Beerdigung, auf der wir Don und Marcie kennengelernt haben. Marcie war Leannes Schwester. Anscheinend hatte Ed schon mit Don gesprochen, und die beiden wussten offenbar mehr über uns, als wir vermutet hatten, denn Don wollte uns in irgendeiner Show auftreten lassen…«
    Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden. An diesem Abend schien es früher dunkel zu werden als sonst. Eine Frau tauchte in einem der Nachbargärten auf und winkte ihnen kurz zu.
    »Wir sind also zu Don und Marcie gekommen. Damals haben sie noch in einem Wohnwagenpark in der Nähe vom Flughafen von Reno gewohnt. Sie haben uns von der Schule genommen, indem Marcie behauptet hat, sie würde uns von nun an zu Hause unterrichten. Nach der Sache mit den Reifen hatte die Schule keine Einwände dagegen, auch wenn Marcie uns natürlich nie irgendwas beigebracht hat. Don hat uns überredet, in seiner Show mitzumachen. Er hat mich geschlagen, weil er wusste, dass er nur so Scott für seine Zwecke gewinnen konnte, und schließlich haben wir zugestimmt. Wir haben ein halbes Dutzend Tricks ausgearbeitet – aber davon abgesehen haben wir nichts gemacht. Erinnerst du dich an den Polizisten in Marcies Haus?«
    »Ja, natürlich.«
    »Was ich mit ihm gemacht habe… es ist das erste Mal gewesen, dass ich so etwas getan habe. Ich musste Scott schwören, dass ich es niemals tun würde. Er hatte Angst um mich. Wenn ich damit anfangen würde, wäre nicht abzusehen, wohin das führt. Was, wenn ich wütend auf dich werde, etwas zu dir sage, und im nächsten Moment bist du verletzt oder tot? Verstehst du es jetzt? Ich kann dich mit meinen Gedanken umbringen! Das ist meine großartige Kraft! Ich kann dir etwas antun, ohne einen Finger zu rühren.«
    »Aber das wirst du nicht tun«, sagte Alicia. »Ich vertraue dir, Jamie…«
    »Ich werde es nicht tun, weil ich es nicht zulasse. Und jetzt weißt du, warum ich so reagiert habe. Warum ich nicht tun will, was du vorgeschlagen hast. Ich will die Gedanken dieses Mannes nicht lesen. Du glaubst sicher, Gedanken zu lesen bedeutet, dass man in den Kopf von jemand anderem geht und das Gewünschte herauszieht wie ein Ass aus einem Kartenspiel. Aber so ist das nicht. Nicht einmal mit Scott, und er ist mein Bruder. Diese Männer… wenn

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