Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
Luft zu holen. Dann fuhr er fort, und Jamie verstand jedes Wort. »Ein lebendiges Kind unter so vielen Toten! Das ist kaum zu fassen. Wer bist du, mein Junge? Was machst du hier?«
    Jamie zögerte, weil er nicht wusste, ob er dem Mann in seiner Sprache antworten konnte. »Mein Name ist Jamie«, sagte er, und obwohl er diese Worte dachte, waren es nicht dieselben, die über seine Lippen kamen. Er sprach die Sprache des Mannes, ohne sich im Geringsten anzustrengen. Er zögerte verblüfft, dann fuhr er fort: »Ich weiß nicht, was ich hier mache. Ich weiß nicht einmal, wo ich bin. Können Sie mir helfen?«
    »Natürlich kann ich dir helfen.« Der Mann lachte kurz auf. Es war ein trockenes, unangenehmes Lachen. »Du willst wissen, wo du bist? Nun, da nichts mehr von dieser Gegend übrig ist, braucht sie auch keinen Namen. Und falls sie einst einen hatte, wird er bald vergessen sein, so wie alle anderen auch. Es gibt keine Länder mehr. Keine Dörfer, keine Städte. Nur noch Schutt und Asche.« Er musterte Jamie und runzelte die Stirn. »Woher kommst du?«
    »Aus Amerika«, sagte Jamie. »Nevada.«
    »Amerika? Nevada? Davon habe ich noch nie gehört.« Jetzt war er misstrauisch. »Wie bist du hierhergekommen?«
    »Das weiß ich nicht.« Jamie schüttelte den Kopf. »Ich wollte nicht herkommen. Es ist einfach passiert.«
    »Du meinst, wie durch Zauberei?«
    »Äh… ja.« Jamie war sich nicht sicher, ob der alte Mann einen Scherz gemacht hatte.
    »Vielleicht war es Zauberei!« Die Hand des alten Mannes schloss sich fester um seinen Stock. »Vielleicht haben dich die Alten hergebracht. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, warum.« Er hielt den Kopf schief. »Dienst du den Alten?«, fragte er.
    Jamie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Du bist kein Diener der Alten?«
    »Nein! Ich bin kein Diener von irgendwem!«
    »Dann ist es ein Glück, dass ich diesen Weg genommen habe. Es scheint, als wäre ich gerade rechtzeitig gekommen.«
    »Rechtzeitig wozu?«, fragte Jamie, der plötzlich misstrauisch wurde.
    »Um dich zu töten.«
    Der alte Mann hob seinen Stock, und Jamie hätte fast losgeprustet. Der Gedanke, dass dieser Opa ihm auch nur ein einziges Haar krümmen konnte, war einfach lächerlich. Er hob eine Hand, um sich zu wehren, doch dann wich er entsetzt zurück, und seine Augen wurden riesengroß, als das Unglaubliche passierte. Der alte Mann schien sich zu häuten – eine andere Kreatur, eine Art riesiges Insekt, explodierte aus ihm heraus, und wo gerade noch Haut gewesen war, tauchten jetzt hässliche schwarze Schuppen auf. Zwei riesige Klauen, bewaffnet mit auf- und zuklappenden Scheren, erschienen dort, wo zuvor noch Arme gewesen waren. Die Augen hatten sich gelb verfärbt. Kopf und Beine waren zwar noch menschlich, aber sie saßen jetzt am Körper eines Skorpions. Jamie sprang zurück, als die Bestie ihren langen Schwanz mit dem gewaltigen Stachel über ihren Kopf nach vorn schwang. Auch der Stock hatte sich verändert. Aus ihm war ein stählerner Speer mit zwei Spitzen geworden.
    Der Skorpion-Mann kreischte schrill, und Jamie sah, dass seine Zähne zu silbernen Nadeln geworden waren. Aus den gelben Augen blitzte Hass. Jamie hörte etwas durch die Luft sausen und sprang zurück, als der Speer einen Zentimeter vor seinem Gesicht niederfuhr. Ein Treffer hätte ihm garantiert den Schädel eingeschlagen – oder ihm den Kopf sauber von den Schultern getrennt. Er verlor das Gleichgewicht und fiel beinahe hin, schaffte es aber trotzdem zurückzuspringen, als der Schwanz der Kreatur nach ihm schlug. Weißes Gift sprühte auf den Boden. Ein paar kleine Tropfen davon spritzten auf Jamies Hand, und er schrie auf. Es brannte sich wie Säure ein. Der Schwanz fuhr wieder nach vorn, und diesmal warf Jamie sich auf den Boden, um nicht verätzt zu werden oder das Zeug in die Augen zu bekommen. Die Kreatur lachte, und Jamie begriff, dass er keine Chance hatte, dass er genau jetzt sterben würde, ohne jemals herauszufinden, was passiert war und wie er hierhergekommen war.
    Das Monster polterte vorwärts. Es drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, das Gesicht vor Hass und Wut verzerrt, den Speer mit den zwei Spitzen hoch erhoben. Jamie kroch rückwärts, auf der Suche nach irgendetwas, das er als Waffe benutzen konnte. Am Straßenrand lag ein toter Soldat, der immer noch einen Säbel umklammert hielt – Jamie entriss ihm die Waffe und rollte sich hastig weg, denn das Monster hatte den

Weitere Kostenlose Bücher