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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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antwortete Joe. Etwas sanfter fuhr er fort: »Sie tut, was sie kann. Sie benutzt einen starken Zauber und ruft, was wir we ga lay u nennen. Ihren Schutzgeist.«
    »Was ist das? Das verstehe ich nicht.«
    »Die Medizinmänner beziehen ihre Kraft von Helfern, sogenannten Schutzgeistern, die sie bei ihrer Arbeit anleiten. Diese Helfer nehmen verschiedene Formen an, doch es sind immer Vögel oder andere Tiere. Auch wenn die Frau vielleicht nicht so aussieht, aber sie ist sehr stark. Sie ist nicht von meinem Stamm, aber sie ist berühmt. Du hast doch ihren Stab mit der Schnitzerei gesehen, oder? Ihr Schutzgeist ist der Adler.«
    »Aber wenn er tot ist…«
    »Der Adler ist der einzige Schutzgeist, der hinüberwechseln und ihn zurückbringen kann. Er ist so mächtig, dass niemand von meinem Volk eine Adlerfeder im Haus hat. Sie kann zu viel Unheil anrichten. Doch sie hat ihn gerufen, damit er ihr hilft. Sieh nur…«
    Joe zeigte zum Himmel.
    Anfangs sah Daniel nichts, und als er etwas entdeckte, war er sich nicht sicher, ob es vielleicht nicht nur Einbildung war. Ein Vogel stieß herab, direkt aus der Sonne, als wäre er in den Flammen geboren worden. Im Sturzflug schrie er, ein Geräusch, das durch die Berge hallte. Er landete nicht, sondern flog einen großen Kreis über ihnen.
    Die Schamanin hob die Arme. Ihr Schutzgeist hatte ihren Ruf gehört und war gekommen.
    Der Adler umkreiste sie noch zwei Mal, dann flog er davon.

SCAR
    Diesmal war es kein Traum, da war Jamie sicher. Es war kein Meer da, keine Insel und kein Zwei-Meter-Mann, der auf ihn wartete, um ihm irgendwelche unverständlichen Botschaften zu überbringen. Außerdem fühlte sich die Welt, in der er jetzt war, zu echt an. Er sah sie nicht nur, sondern konnte sie auch fühlen und riechen. Außerdem war es kalt. Er rieb seine kalten Hände und merkte, dass er zitterte. Im Traum konnte man doch nicht frieren, oder?
    Er schaute auf. Wo immer er war, Nevada war es bestimmt nicht. Der Wüstenhimmel dort war tagsüber leuchtend blau und nachts tiefschwarz und voller Sterne. Hier aber bestand der Himmel aus einer merkwürdigen Farbmischung, als hätte jemand ein Dutzend verschiedener Farben ausgekippt – wenn auch Grau und Rot überwogen. Dazu kamen dichte Wolken und keine Spur von Sonne. Jamie betrachtete die uralten Bäume, die aussahen, als wären sie aus Stein gemeißelt, das hohe, wogende Gras und die gezackten Felsformationen, und er wusste, dass er nicht nur nicht in Nevada, sondern auch nicht in Amerika war. Sogar der Wind war anders: Er wehte irgendwie langsam und zäh, und er roch nach Kohle, nassem Schlamm und… etwas anderem.
    Wo war er?
    Er versuchte, sich zu erinnern, was passiert war. Er hatte auf der Ladefläche eines Lasters gestanden, der durch den Gefängniszaun gebrochen war – und dann war er angeschossen worden. Er spürte noch den brennenden Schmerz, als die Kugel direkt unter seiner linken Schulter in seinen Rücken fuhr. Er hatte mitbekommen, wie seine Beine unter ihm nachgegeben hatten und wie er auf die Ladefläche gefallen war. Das war alles. Er glaubte, er hätte auch jemanden schreien gehört, aber dann war alles schwarz geworden.
    Bis jetzt.
    Er sah sich um und musste feststellen, dass er von Leichen umgeben war. Es waren Dutzende, die unnatürlich verdreht dalagen, als hätte eine unaufhaltsame Macht sie alle gleichzeitig niedergemetzelt. Voller Entsetzen rappelte Jamie sich auf und näherte sich einem, der in seiner Nähe lag. Es waren alles Männer, gekleidet in denselben Braun- und Grautönen. Es mussten Soldaten sein. Aber keine modernen Soldaten wie die, die er in den Fernsehnachrichten gesehen hatte, die winkten und den hochgereckten Daumen zeigten, bevor sie in einen weit entfernten Krieg zogen.
    Diese Männer trugen merkwürdige Kleidung: lange Jacken, die ihnen bis zu den Knien reichten, und dazu weite Hosen. Einige hatten auch Kapuzen aus dunklem Stoff auf, die ihren Kopf bedeckten. Sie hatten keine Gewehre. Stattdessen waren sie mit Schwertern und Schilden bewaffnet, wie Jamie sie noch nie gesehen hatte. Die Schilde waren klein und rund, und außen befand sich ein einzelner Stachel. So konnte man sich damit schützen und gleichzeitig jeden erstechen, der einem zu nahe kam. Die Schwerter waren sehr unterschiedlich, manche gebogen, andere gerade, und manche hatten sogar mehrere Klingen. Überall waren Pfeile, aber sie bestanden nicht aus Holz, sondern aus Metall, und anstelle von Federn hatten sie seltsame schwarze

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