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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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hohen, feindseligen Bäumen, und ihm war klar, dass es kein Zurück geben würde. Das war es. Die Trommelschläge riefen ihn. Bumm, bumm… bumm. Bumm, bumm… bumm. Er hatte das Geheimnis des Krieges entdeckt, den Moment, in dem die Männer ihre Angst verdrängen und zum Sterben bereit sind.
    Sie ritten schneller und schneller, und als sie die Bäume endlich hinter sich gelassen hatten, trieben sie ihre Pferde zum gestreckten Galopp an. Aber dann hob Scar eine Hand. Alle Reiter wurden langsamer und hielten schließlich an. Sie waren am Ziel. Die Männer, die sich ein Pferd geteilt hatten, saßen ab und machten ihre Waffen schussbereit. Auch die von Pferden gezogenen Wagen leerten sich, und Jamie sah sogar elf- oder zwölfjährige Kinder, die konzentriert und zu allem entschlossen ihre Bogensehnen prüften.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Scar.
    Jamie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie mit ihm sprach. Er nickte. »Gut.«
    »Es wird schnell vorbei sein«, sagte sie.
    »Woher weißt du das?«
    »Matt hat einen Plan.«
    »Weißt du, wie der aussieht?«
    Scar lächelte. »Er hat es mir letzte Nacht gesagt.«
    Zu seiner eigenen Verblüffung war Jamie verärgert. Matt musste im Traum zu Scar gesprochen haben. Warum hatten sie ihn ausgeschlossen? Aber es hatte keinen Sinn, jetzt darüber zu diskutieren. »Hast du Angst?«, fragte er stattdessen.
    Scar schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Was soll schon Schlimmes passieren?«
    Jamie fiel auf Anhieb eine Menge schlimmer Dinge ein, doch er beschloss, sie für sich zu behalten.
    Scar sah sich um. Der Rest ihrer Truppe war jetzt auch angekommen und erwartete ihre Befehle. Finn saß vorgebeugt auf seinem Pferd, als horchte er auf etwas. Er sah jetzt noch älter aus als am Morgen, und Jamie erkannte, dass er vollkommen erschöpft war. Nicht nur müde wie nach einer Nacht mit wenig Schlaf, sondern ausgelaugt von Jahren des Kampfes. »Finn hat Angst«, murmelte Scar so leise, dass der es nicht hören konnte. »Er versucht zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber er hat immer Angst. Angst um mich.«
    »Du bedeutest ihm sehr viel.«
    »Ja, wahrscheinlich. Ich bin die Tochter, die er nie hatte – allerdings hat er mir erzählt, dass er neun Söhne hat.« Sie sah Jamie in die Augen. »Ich war hart zu dir, und es tut mir leid. Ich werde versuchen, in Zukunft netter zu sein, falls einer von uns das hier überlebt.«
    Jamie wusste nicht, was er erwidern sollte, aber es spielte auch keine Rolle, denn Scar ließ ihm sowieso keine Gelegenheit dazu. Sie gab ein Zeichen, und die Truppe setzte sich in Bewegung, um die letzten paar Meter bis zur Spitze des Hügels zurückzulegen. Jetzt waren alle sehr still. Oben auf dem Hügel bot eine letzte Baumreihe ein wenig Schutz. Wieder stoppte der Tross, und jetzt sah Jamie auch, was ihn auf der anderen Seite erwartete.
     
    Das Schlachtfeld.
    So etwas hatte er noch nie gesehen. Es war grausiger, als er es sich jemals vorgestellt hätte.
    Er sah hinab auf einen etwa vierhundert Meter breiten Streifen aus sehr dunklem, fast schwarzem Gras, der auf der einen Seite von ihrem Hügel und auf der anderen von einem dichten Wald begrenzt wurde. Dort hatte sich die letzte große Armee der Menschheit versammelt, zweitausend Menschen, vereint unter dem blauen, fünfzackigen Stern, den auch er auf seinem Schwert hatte. Der Stern war auf ihren Bannern und Schilden. Er flatterte über den Zelten, die am Fuß des Hügels errichtet worden waren und aussahen wie Segelschiffe auf dem Meer. Wäre das Licht besser gewesen, hätten die vielen Sterne sicher geleuchtet, aber der Himmel war grau und bedrohlich, und der Schatten des Todes lag schon jetzt über der ganzen Szenerie.
    Die Armee rückte in drei Blöcken vor – einer in der Mitte und zwei an den Flanken. Es waren so unglaublich viele Soldaten, dass Jamie von seinem Platz auf dem Hügel aus keine Einzelpersonen erkennen konnte. Die Reiter, Hunderte von ihnen, führten den Angriff an. Ihnen folgten die Fußsoldaten, hinter denen wiederum unzählige Männer warteten, die mit etwas bewaffnet waren, das aussah wie lange Kupferrohre. Dann kamen die Bogenschützen und dahinter, in der Nähe der Zelte, eine Reihe von Kanonen, die alle mit zwei Mann besetzt waren. Jamie staunte über die Vielfalt der Waffen, die offensichtlich aus verschiedenen Zeiten und Kontinenten stammten. Doch dann begriff er, dass das auch auf die Menschen zutraf. Sie waren aus der ganzen Welt gekommen, um diese letzte

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