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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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würde es bemerken, wenn Martin das Haus verlassen wollte. Im Erdgeschoss waren sie durch ein Fenster ohne Scheibe geklettert, es gab eigentlich nichts, was seine Flucht hätte verhindern können. Bei dem Wort ›Flucht‹ stellten sich ihm die Härchen auf den Armen auf. Wieso eigentlich Flucht? Er war niemandes Gefangener. Er hätte den Gebäudekomplex jederzeit verlassen können. Hinter ihm wurden keine Schlüssel umgedreht, Jerome hätte ihn zwar gesehen, aber nicht hindern können, obwohl … Der Gedanke traf Martin wie ein Schlag und er ohrfeigte sich dafür. Die Waffe lag in der oberen Etage und die Tür hatte Jerome von innen verriegelt. Er hatte die Pistole abgelegt, als Jerome den Gürtel gescannt hatte, und danach nicht wieder umgebunden. Er hätte wieder hochgehen können, anklopfen, in die Kamera grinsen und seine Dienstwaffe an sich nehmen können, doch vielleicht würde er damit nur Misstrauen wecken. Vielleicht würde das die Situation ins Gegenteil verkehren. Auf der anderen Seite: Ein Halbwahnsinniger im Besitz meiner Waffe. Es wird besser sein, ich halte die Füße still und warte einfach die Nacht ab.
    Er durchdachte seine Lage und kam zu der bitteren Erkenntnis: Ja, ich bin ein Gefangener und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Jerome könnte die Pistole gegen mich verwenden, doch zu welchem Zweck? Was könnte ich ihm nützen, was für ihn tun? Mein Handy ist auch weg, in der Kitteltasche der dicken Schwester. Gott sei Dank, es ist keine Ortung mehr möglich, aber eben auch kein Anruf. Ich könnte dennoch gehen, eine Telefonzelle suchen, Werner anrufen oder Catherine. Wieder wäre keine Ortung möglich, es sei denn, die Telefone von Werner und Catherine wären bereits angezapft worden. Ich könnte Lorenz anrufen, ihn, den niemand mehr für voll nimmt. Ein sabbernder, halbseitig gelähmter und geduldeter Beamter, der für niemanden eine Gefahr darstellt.
    Martin näherte sich der Tür zu der Etage, in der Jerome ihn zurückgelassen hatte. War es die zweite oder die dritte? Martins Konzentration ließ nach. Er konnte die Tür mühelos öffnen, sie war nicht verschlossen. Er blickte in den dunklen Flur hinein, wandte sich nach rechts und links. Ein kühler Windhauch streifte seine Wange. Seine Blase drückte, doch seine Neugier auch. Wo war er hier gelandet? Wie konnte man so ohne Weiteres ein ganzes Haus okkupieren?
    Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, die Ohren lauschten in die Stille hinein. Einzig zu hören war sein Herzschlag, pulsierend in den Blutgefäßen seiner Ohren. Er wandte sich nach links, ertastete mit der linken Hand die Wand und streckte die rechte Hand nach vorn aus, um nicht gegen Hindernisse zu stoßen. Es musste furchtbar sein, blind zu sein. Langsamen Schrittes kam er an die Stelle, wo die Tür ins Treppenhaus führte. Ein kleines Fenster mit milchigem Glas ließ diffuses Licht hindurch. Martin verengte die Augen und blinzelte hinaus. Draußen war es sternenklar und einsam.
    Er griff nach dem Geländer, erklomm die Stufen und schraubte sich die zwei Etagen hoch, die ihn von Jerome trennten. Er drückte leise die schwere Glastür auf und verließ das Treppenhaus. Seine Augen gewöhnten sich mehr und mehr an die ihm ungewohnte Umgebung. Nun befand er sich in dem Flur, in dem Jerome seinen geheimen Unterschlupf eingerichtet hatte. In der obersten Etage, hoch über Hamburg, über ihm nur das Dach, über das er vielleicht fliehen könnte. Krimiartige Verfolgungsszenen drängten sich ihm auf. In einigem Abstand lag die Eisentür, die von innen verriegelt werden konnte. In der oberen rechten Ecke blinkte das kleine LED-Lämpchen der bewegungsempfindlichen Kamera. Er war zu weit entfernt, als dass ihn die Sensoren erfassten.
    Martin ging auf die andere Seite des Flures. Nicht sicher, was er überhaupt gerade tat, drückte er sich eng an der Wand Richtung Tür entlang. Unter dem Gummi seiner Schuhe schmatzte der Bodenbelag. Mit jedem Meter, den er sich vorwärtsschlich, rechnete er mit der surrenden Bewegung der Überwachungskamera, doch es schien, als habe er einen toten Winkel erwischt. Meter für Meter tastete er sich weiter und ihm war, als drangen Stimmen an sein Ohr. Wie von weit entfernt, durch die Wände und die Stahltür hindurch, klang es wie ein Gespräch zweier Menschen, laut, eher wie ein Streit.
    Martins Puls beschleunigte sich noch mehr und er schob die Füße weiter Richtung Tür. Der Laserstrahl reagierte noch immer nicht. Dann, circa fünf Meter vor

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