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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Füße standen unter dem Schreibtisch nicht still, während sein Blick über die Bildschirme flatterte. Seine Bewegungen waren zu schnell, zu fahrig. Er schnellte nach vorn und griff zu einer Packung Tabletten und drückte sich eine, besann sich, dann noch eine zweite aus dem Blister heraus. Methylphenidat, ein Amphetamin. Eine von vielen Stimulantien, die er sich wegen seines früh diagnostizierten Problems wie Smarties einwarf. Nicht streng nach Indikation oder Empfehlung, sondern rein nach Gefühl, je nach Empfinden, was sein Gehirn gerade brauchte, um in Balance zu bleiben. Mit einem Schluck Bier spülte er die Pillen herunter.
    Bisher war es gut gelaufen, doch er musste nachdenken. In einer Stunde würde er sich mit Pohlmann treffen. Wie sollte er auftreten, wie sollte er aussehen, welche Persönlichkeit annehmen? Sein Portfolio hatte im letzten halben Jahr zwei Kandidaten hinzugewonnen. Arme Schweine, doch damit war sein Abstand den Verfolgern gegenüber größer geworden. Noch immer suchten sie ihn vermutlich. Zweifelten an seinem Tod, waren ihm vielleicht auf der Spur, obwohl es ihn eigentlich gar nicht mehr gab. Er verstand es, seine Spuren zu verwischen, sie im Nichts verlaufen zu lassen. Wer er wirklich war, wusste er manchmal selbst nicht mehr, besonders nicht nach der Einnahme der falschen Substanzen zur falschen Zeit.
    Er stand auf und riss dabei den Stapel Papiere herunter, der auf der Ecke des hoffnungslos überladenen Tisches lag. Die Blätter segelten zu Boden, begleitet von unbändigen Flüchen Jeromes. Kurz sah er auf, zu einem der Monitore hin. Er meinte, eine Bewegung gesehen zu haben. Eine der Kameras zeigte die seitlich gelegene Toreinfahrt, die zweite den Haupteingang des großen Gebäudes, die dritte seine Haustür, die nicht als solche zu erkennen war. Drei weitere zeigten aktive Internetseiten: Aktienkurse, Nachrichten und Videos von Usher – Jerome liebte R&B. Mit einem letzten Monitor checkte er den virtuellen Standort seiner Verfolger und ihrer stümperhaften Versuche, ihn ausfindig zu machen. Diverse Rechner standen nebeneinander, bunte LEDs flackerten gespenstisch. Kabel schlängelten sich am hinteren Ende des ehemaligen Küchentisches, den er vom Sperrmüll geholt hatte, zu anderen Geräten: Scanner, Sender, Sprachverzerrer, Antennen und Konverter. Eine ganz bestimmte, nur für ihn logische Ordnung lag darin. Jerome war immun gegen Chaos. Seine Sinne richtete er auf andere Dinge, nicht auf das, was die oberflächliche Welt Ordnung nannte. Sein Interesse galt dem Überleben, dem Unentdecktbleiben, dem Anonymbleiben. Und doch trieb ihn ein übergeordnetes Ziel. Der Grund, warum er im Abseits gelandet war. Der Kampf Gut gegen Böse, den er zu gewinnen gedachte. Nur auf welcher Seite er sich dabei jeweils befand, war selbst ihm nicht immer klar. Dafür wechselte er zu oft seine Identitäten.
    Die Polizei interessierte sich nicht mehr für ihn. Sie waren zu überlastet und vor allem technisch zu schlecht ausgestattet für die Verfolgung eines Phantoms. Für sie war er, so wie sie ihn von früher kannten, nicht mehr existent. Auch nicht für Interpol, wohl aber für die CIA und, wie er sie nannte, die Schattenmächte. Für die Vielzahl an Menschen, denen er mit seinem Wissen, seinen Ton-und Bildaufnahmen und den über Jahre gesammelten Dokumenten gefährlich werden könnte. Doch alleine konnte er den Kampf nicht schaffen. Schon immer brauchte er Helfer. Klaus Schöller war tot, schade, doch ein neuer Kamerad stand bereits parat. Jemand, den er noch formen musste, programmieren mit seinen Idealen. Jemand, den er für sich gewinnen und benutzen würde wie alle anderen auch. Für den ultimativen Schlag, den tödlichen Stich, das Ende nach langem Ringen.
    Jerome hob die Papiere auf und nahm sich das Sortieren derselben für einen späteren Zeitpunkt vor. Er wandte sich in seiner Etage um und suchte nach einem Platz, wo er sie ablegen konnte. Es gab noch reichlich freie Fläche in diesem Stockwerk, das er in Besitz genommen hatte. Ein leer stehendes, vergessenes, dem Abbruch geweihtes, aber aus Kostengründen unangetastetes Gebäude, in dem er hauste. Er hatte sich in die Server der Bau-und Abbruchbehörde gehackt und das Haus von der Liste gestrichen. Nun interessierte sich kein Investor mehr für das Gelände. Plötzlich trug es das Stigma ›Asbestverseucht‹ und eine angebliche Sanierung war für Mitte 2016 geplant. Er hatte sich Zeit verschafft. Irgendwann würde sicher jemand hinter

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