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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Kälte zehrte an seiner Kraft und mit Mühe schaffte er es, sich ans Ufer zu ziehen. Noch liegend, sah er sich um. In seinen Blick fiel ein großer Fels, er kannte ihn. In den Medien war er als ›alter Schwede‹ bekannt geworden. Im September 1999 hatte man diesen Koloss bei Baggerarbeiten zwecks Fahrrinnenvertiefung in fünfzehn Metern Tiefe gefunden und an die Oberfläche gezerrt. Der Findling hatte ein Gewicht von 217 Tonnen und einen Umfang von fast 20 Metern. Er erinnerte sich daran, dass ein Kollege mit der Berichterstattung beauftragt war, als er noch beim Hamburger Abendblatt gearbeitet hatte; nun lag Dutroit direkt neben dem alten Schweden und diese Tatsache rang ihm ein schmerzhaftes Lächeln ab. Dennoch wertete er es als kostbare Fügung, genau dort angeschwemmt worden zu sein. Ab hier war es nicht mehr weit zu seiner Wohnung in Othmarschen.
    Eilig blickte er sich um. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren hilfsbereite Hände und wohlgemeinte Ratschläge. Schlimmstenfalls ein Krankenhaus, das seine Personalien einforderte. Ein Plan war in ihm herangereift, als er dort dümpelte, träumte und versuchte, um jeden Preis wach zu bleiben. Ein Plan, der so endgültig und doch so genial war, dass es ihm Auftrieb gab.
    Beinahe übermenschliche Kraft stärkte seine Beine, straffte seinen Rücken und trieb ihn an, den Weg zu seiner Wohnung zu Fuß zurückzulegen. Er wusste genau, wo er war. Den Weg durch Schröders Elbpark taumeln, die Elbchaussee überqueren und 200 Meter die Schlagbaumtwiete entlanghasten. Diese Einbahnstraße war von dichten Hecken und Sträuchern gesäumt, hinter denen er sich verstecken konnte, für den Fall, dass er jemandem auffiel. Noch immer waren seine Klamotten durchnässt, er hatte verschiedene Prellungen am Körper und das rechte Auge konnte er unter Mühen lediglich einen Spalt breit öffnen. Die Braue darüber war aufgeplatzt. Die Wunde hätte gereinigt und genäht werden müssen, doch ein Arzt kam dafür nicht infrage.
    Es war gegen vier Uhr dreißig, als er in seiner Wohnung ankam.
    Er hastete das Treppenhaus in den dritten Stock hoch und wunderte sich nicht, dass seine Wohnungstür offen stand. Jemand war kurz vor ihm da gewesen. Gut für ihn, denn dann waren sie vermutlich wieder weg. Ohnehin rechneten seine Häscher nicht damit, ihn lebendig wiederzusehen, eher mit einem Artikel über einen Leichenfund am Ufer der Elbe, nahe der Köhlbrandbrücke. Viele, die sprangen, wurden auch nicht gefunden, sie sanken wie rostige Fahrräder, die man auf diese Weise kostengünstig entsorgte, zu Grund oder trieben mit der Strömung in tiefere Gefilde.
    Dutroit schloss die Tür hinter sich. Die Wohnung hatte 76 Quadratmeter und war mit drei Zimmern sehr übersichtlich. In Windeseile hatte man seine Habseligkeiten gründlich durchsucht und selbstverständlich den Rechner, der ungesichert dort herumstand, mitgenommen. Dämliche Idioten , dachte er. Für wie bescheuert haltet ihr mich eigentlich? Den Laptop, der sich hinter der verschiebbaren Bücherwand befand, hatten sie nicht gefunden. Ebenso nicht die Unterlagen, die Dutroit über Jahre zu den Bilderbergern und deren Sympathisanten zusammengetragen hatte, nicht die Video-und Audioaufzeichnungen der teilnehmenden Gäste und nicht die Utensilien, die er für sein nächstes Leben brauchen würde.

    *

    Sein Weg führte ihn als Erstes ins Bad, wo er sich seiner nassen Sachen entledigte. Jede Bewegung schmerzte inzwischen: das Bücken im Bauch, die Schulter beim Herausziehen des Armes aus dem Hemd und das Gesicht schon allein deswegen, weil er sich im Spiegel betrachtete. Was von ihm übrig geblieben war, hätte irgendwie jeder sein können. Struppiges braunes Haar, blutunterlaufene, mit feinen Falten durchzogene Augenpartie. Blasse, unreine Haut. Während er vor seinem Spiegelbild stand und sich musterte, grinste er sich an, nickte dem Plan zu, den er in der Nacht geschmiedet hatte. Ab jetzt, so schwor er sich, … ab jetzt ist Krieg. Er lebte noch, weil er gewinnen sollte, das war ihm nun klar. Heute Nacht, in der dunklen Brühe der Elbe, nahe der Müllverbrennungsanlage, hatte er sein altes Leben entsorgt. In dieser Nacht starben alle Skrupel, alle guten Vorsätze. Ertränkt war seine Zurückhaltung dem Gesetz gegenüber. Ein Toter brauchte keine Gesetze. Geister waren frei, wahrhaft frei. Schade um die alten Freunde und Kontakte. Hallo, ihr neuen Freunde, Gefährten des Todes und der Nacht.
    Dem Medikamentenschrank vor sich

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