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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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kleinen Wasserfall.
     
    Etwas Kühles und Nasses kitzelte mich an der Nase, sodass ich wegzuckte und niesen musste. Ein leises Brummen drang in meine Ohren. Ich öffnete die Augen und schaute in ein tiefgrünes Auge. Vor mir stand eine einäugige Katze mit rotem Fell, die mich neugierig betrachtete und schnurrte. Das war doch das Tier aus dem Haus am Wetterplatz 8. Die Katze machte einen kleinen Satz zurück, als ich versuchte, mich aufzurichten, blieb in sicherem Abstand stehen, starrte mich aber weiterhin neugierig an.
    Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich mich befand. Ich schaute mich um. Das hier war nicht Wetterplatz 8, es war der magische Wald, in orangerosa Licht getaucht. Die Sonne ging gerade auf. Langsam erinnerte ich mich, wie ich in der Nacht zu dem Findling hinaufgestiegen war, um mich auszuruhen. Ich musste vor Erschöpfung auf dem weichen Moos eingeschlafen sein.
    Ich stützte mich auf die Ellenbogen, war jedoch im Handumdrehen auf den Beinen, als ich hinter meinem Rücken ein Stöhnen vernahm. Wolf, Wildschwein, Luchs, schoss es mir durch den Kopf. Die Tiere, die es in meinem heimatlichen Wald gegeben hatte und vor denen man potenziell Angst haben konnte. Nicht generell vor Luchsen, aber seit in meiner Kindheit einige aus einem Gehege in der Gegend entkommen waren, geisterten sie mir ebenfalls durch den Kopf, wenn ich mich allein im Wald aufhielt. Allerdings waren derlei Tiere im magischen Wald nicht gefährlich.
    Hinter mir lag jemand, fast komplett von herabgerieselten Blüten bedeckt. Grete.
    Hier? Das konnte doch gar nicht sein. Aber, doch! Es war Grete!
    Ich beugte mich zu ihr hinunter.
    „Grete! Grete, wach auf!“
    „Da bist du ja endlich“, flüsterte sie angestrengt und blinzelte. Mit unendlicher Mühe hob sie einen Arm und versuchte, sich einige Blüten aus dem Gesicht zu sammeln.
    „Du hast auf mich gewartet?“
    „Der … Traum …“, hauchte sie.
    Ich half ihr, strich ihr die Blüten aus dem Gesicht und glättete ihre Haare, die ihr wild über der Stirn lagen. Der Traum hatte ihr also gesagt, dass ich sie finden würde. Das kam in solchen Träumen eigentlich nie vor, aber Grete bildete wahrscheinlich eine Ausnahme, weil sie mich vorher schon kennengelernt hatte. Nur dass ich sie hier fand, mitten im Wald, an einem Ort, von dem ich bis jetzt selber nichts gewusst hatte, das war mehr als merkwürdig.
    „Wie bist du hierhergekommen?“
    „Aus der Quelle.“
    „Der Quelle?“
    Ich berührte ihre Sachen. Sie waren trocken. Heißhunger auf Fisch, ein Zeichen für das Element Wasser. Okay, Grete musste durch das Wasser gekommen sein. Aber aus dem Fluss? Einer Quelle? Hier gab es keinen Durchgang.
    Im selben Moment, als ich das dachte, wusste ich, dass es nicht stimmen konnte. Die Katze schnupperte an Gretes nackten Füßen. Ihr Fell glänzte in der Sonne. Plötzlich vernahm ich ein hohes Miau und sah, wie ein kleines rotes Kätzchen – eine Miniaturausgabe der großen – sich an sie schmiegte und verspielt Gretes Zehen angriff. Grete schien es nicht zu spüren, denn ihre Zehen waren blau vor Kälte.
    Auf einmal erschienen Bilder des überschwemmten Kellers vor meinem inneren Auge, das Schimmern des Wassers und die durchnässte Katze, die aus dem Keller entwischt war, als ich das Haus zum ersten Mal besucht hatte. Etwas fügte sich zusammen.
    „Bist du durch den Keller?“
    Grete nickte nur.
    „Und das hatte dir dein Traum gesagt?“
    Sie nickte wieder.
    „Aber warum bist du dann mit mir auf das Hochhaus …?“ Ich verstummte. Fragen stürmten auf mich ein, aber Grete hatte keine Kraft, sie zu beantworten.
    Ich griff ihr unter die Arme und zog sie in die Sonne, lehnte sie an den Findling und achtete darauf, dass besonders ihre Füße Sonnenstrahlen abbekamen.
    „Warte einen Moment.“
    Ich lief um den Findling herum und sah, dass auf der anderen Seite eine Quelle unter ihm entsprang und in ein natürliches, tiefblaues Felsbecken plätscherte, ehe das Wasser dem Flusslauf folgte. Das war die Verbindung zum Haus am Wetterplatz 8. So musste es sein, auch wenn ich es kein bisschen verstand. Ich kehrte wieder zu Grete zurück.
    „Seit wann bist du hier?“
    „Ich weiß es nicht. Es war stockdunkel.“
    Dann war ich also gestern Nacht nur ein kleines Stück von Grete entfernt eingeschlafen. Die Magie ihres Traumes hatte uns zusammengeführt. Sie hätte mir nur davon erzählen müssen! Andererseits, ich hätte mir wahrscheinlich trotzdem den ganzen Tag Sorgen gemacht, dass die

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