Schattenmelodie
Beweise. Eine Beweisführung, die man wissenschaftlich anerkennen kann. Darum geht es. Allein darum.“
Ich lief ins Nebenzimmer und holte den Magnetfeldmesser. „So einen Beweis?“
Charlie starrte auf das Messgerät in meiner Hand, dessen Nadel so wild im roten Bereich herumzuckte, als wollte sie herausspringen.
„Ach, du kannst das also auch!“, prustete sie und klang jetzt verächtlich. „Kennt ihr euch schon lange? Steckt ihr unter einer Decke?“ Charlie nahm mir das Gerät aus der Hand und sofort beruhigte sich die Nadel wieder. „Solche Tricks hat mir Janus auch gezeigt. Aber das sind leider keine Beweise, höchstens Hinweise. Immer, wenn es ernst wurde, wenn es darum ging, mit in die Labore an der Uni zu kommen und sich ein paar Tests zu unterziehen, hat er gekniffen. Und das sagt doch wohl alles.“
„Forschungslabore sind für uns gefährlich. Wir sind keine Versuchstiere.“
Charlie lachte auf. „Ha, ja, das hat er auch behauptet! Das ist natürlich eine prima Ausrede.“
„Das heißt, du weißt bereits, dass deine Instrumente auf Janus seltsam reagieren?“
„Ja, das weiß ich.“
„Und die Ergebnisse?“
„Eindeutig. Er ist durch und durch magisch.“ Sie lachte. „Ich weiß bis heute nicht, wie er das gemacht hat. Aber das weiß man bei David Copperfield auch nicht. Wahrscheinlich könnte Janus mit seinen Talenten längst reich und berühmt sein.“
Jetzt blieb Charlies Blick an meinen gepackten Taschen und dem aufgeräumten Bett hängen. „Willst du … Ziehst du etwa aus?“
„Ja. Ich werde hier nicht mehr gebraucht.“
„Aber, wo gehst du hin? Ich dachte …“
„Zurück in die magische Blase, was sonst?! Ich habe Tom in seinen Träumen geholfen, ein Komponist zu werden, und ich habe Grete nach drüben an die magische Akademie begleitet.“
Charlie sah mich an, als wäre ich nicht ganz beieinander.
„Was bist du? Auch ein Feuergeist? Oder ein Salamander, eine Sylphe, ein Gnom, ein Engel?“ Janus schien sie über die verschiedenen Elementarwesen aufgeklärt zu haben.
„Ich besitze Ätherfähigkeiten.“
Sie ging um mich herum, als wäre ich ein Ausstellungsstück in einem Museum. Ich blieb still stehen. Die Gedanken wirbelten in meinem Kopf durcheinander. Es stimmte nicht, dass mich Charlie nichts anging. Natürlich fühlte ich mich längst für sie und ihr Problem verantwortlich. Und Janus wusste das ganz genau. Er wusste, dass es gegen den Ehrenkodex eines Engels verstieß, jemanden fallenzulassen, für den man einmal Verantwortung übernommen hatte.
‚Engeldiät‘ – Zum hundertsten Mal stieg Ärger in mir hoch, wenn ich an unsere letzte Begegnung dachte. Ich würde ihm zeigen, dass ich es, im Gegensatz zu ihm, viel besser verstand, Charlie auf die richtige Spur zu bringen.
„Ich komme mit in das Labor.“ Ich hatte noch keinen Plan, aber ich musste einen Schritt weitergehen als Janus, damit sie mich nicht genauso abstempelte wie ihn.
Charlie sah mich überrascht an. „Tatsächlich?“
„Ich folge dir unsichtbar.“
Das war eigentlich nicht nötig, aber ich wollte sie mit etwas beeindrucken, was sie noch nicht kannte. Im selben Moment begann ich mich aufzulösen. Ich drehte mich in die Luft und war innerhalb von Sekunden für Charlie nicht mehr zu sehen.
Sie stand vor mir, schob ihre Hände in Abwehrhaltung instinktiv vor ihren Körper, spreizte dabei die Finger und kreischte spitz meinen Namen. „Neve? Neve!“
„Ich bin hier“, sagte ich und sah, wie ihre Hände anfingen zu zittern.
„Neve, wo? Hör sofort auf mit dem Spuk!“
Ich antwortete ruhig. „Du kannst vorgehen. Ich folge dir. Du kannst meinen Mantel anziehen. Dann brauchst du nicht noch einmal nach oben zu Tom.“
Sie stand immer noch da und bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle.
„Was ist nun? Du brauchst Beweise. Schauen wir, was sich machen lässt.“
Langsam nahm sie meinen Mantel, dann rief sie noch einmal unschlüssig: „Neve?“
„Charlie, komm schon. Du erforschst Psi-Phänomene. So was musst du aushalten können!“ Ich kicherte.
Sie hörte mich über sich, von der Decke und schaute unwillkürlich nach oben.
„Keine Sorge, ich halte den Zustand nicht lange aus. Im Labor bin ich wieder da.“
„Darauf bin ich gespannt“, antwortete Charlie ein wenig gefasster, straffte ihre Schultern und machte sich auf den Weg zur Tür.
Eine halbe Stunde später fand ich mich in einem großen Kellergewölbe der Universität inmitten eines ganzen Fuhrparks von
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